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#Wie eine Totale des Krieges

„Wie eine Totale des Krieges“

Das befreite Irpin. In der ersten Sekunde weigere ich mich, dieses Foto richtig zu verstehen. Mein Gehirn bewegt sich auf Schleichwegen: Ich sehe eine abstrakte militärische Disposition, etwas Geschmücktes, viele Orden – bis es nicht mehr möglich ist, der Erkenntnis zu entgehen. Ein riesiger Friedhof. Ein Friedhof, der das ganze Bild einnimmt, das ganze Territorium des Blickes. Ich habe einen metallenen Geschmack im Mund. Wieder dieser kleine Ort, Irpin. Dort wurde der erste Journalist dieses Kriegs getötet, dort sah ich die erste zerstörte Brücke, Irpin war einer der ersten befreiten Orte. Anfang April war es, als man fast dreihundert Zivilisten entdeckte, getötet von der russischen Armee. Und nun dieses Foto.

Von diesem Krieg ist man schon mehrmals verstummt. Man möchte auch dieses Bild nur anschauen. Eine, zwei, mehrere Trauerminuten halten. Nach der Befreiung von Irpin und spätestens nach der Aufdeckung der Verbrechen in Butscha dachte ich, dass im Westen nun endlich politische Konsequenzen gezogen werden, um die mörderische russische Armee zu stoppen. Diese Armee bringt Tod und Verwüstung und wird davon nicht satt. Russland befindet sich in einer Spirale der Gewalt, es geht gegen uns alle. Die rote Linie wurde überschritten, spätestens als die russische Armee dort, bei Kiew, alle denkbaren Formen der Gewalt gegen Zivilisten einsetzte – Folter, Vergewaltigung, Mord, wieder Folter und Vergewaltigung, auch an und von Kindern. Was muss noch geschehen? Wenn wir uns dieser Gewalt nicht widersetzen, und zwar militärisch, akzeptieren wir nicht nur den Tod dieser Menschen, sondern auch die Art und Weise, wie sie getötet werden. Gegen eine mörderische Armee helfen keine Täubchen und Friedensaufrufe. Leider. Die Ostermärsche suggerierten mit ihren Slogans, dass dieser Krieg von zwei gleichen Parteien geführt werde, die im „Konflikt“ (!) stünden und die „aufhören“ sollen. Dabei ist es ein Krieg, der von einem gnadenlosen, verlogenen Aggressor ausgeht, einem Aggressor, der nicht verhandlungsfähig ist, gegen ein Land, das sich verteidigt. Wird also Gewalt im Namen des Friedens akzeptiert? Oder des Wohlstands? Der eigenen Ruhe?

Eine Vorstellung dessen, was man sich nicht vorstellen kann

Heute, als ich zu schreiben anfange, ist es der 55. Tag dieses Krieges. Die große Offensive der russischen Armee im Osten beginnt. Oft denke ich, dass das alles nicht wahr sein kann, selbst diese Worte. „Zweite Phase des Krieges“. „Schlacht“. Auch diese Gräber bilden eine Armee. Ich denke an ein Buch mit dem Titel „Der General der toten Armee“ und an die lange Liste der Orte, die gerade angegriffen werden.

Dieses Foto verkörpert den Krieg. Irpin ist ein kleiner Ort, und dieser Friedhof scheint alle Toten des Krieges an diesem Ort zu verbergen. Ein paar Hundert. Sogar der Wald tritt zurück, um dem Friedhof Platz zu machen, der Eroberung zu weichen. Ich erinnere mich an einen Mann, der in einem Brunnen gefunden wurde, und an einen anderen, der getötet wurde, weil er keine Zigaretten hatte. Ich erinnere mich an Berichte, die ich nicht nachzuerzählen wage. Ich suche nach einem Grund, und ich finde nur Gewalt. Vernichtung der Zivilbevölkerung. Langsam sehe ich auf dem Bild vier frische Gräber, eben erst gegraben. Ich fange an, die kleinen Zäune zu erkennen und zu verstehen, dass nicht alle Gräber aus der letzten Zeit stammen. Die ersten Reihen, so berichtet der Fotograf, sind aus der Zeit des Krieges. Der Friedhof ist eigentlich zu schön für das, was an diesem Ort geschah. In Irpin gibt es Massengräber. Nicht alle Toten sind identifiziert. Die Kränze und Kreuze – das ist ein würdiges Ritual. Jeden Tag kommen 600 Freiwillige nach Irpin, um die kaputten Panzer, die Überreste von Raketen und die Ruinen aufzuräumen, um das Leben wieder einzurichten.

Dieses Bild wirkt unheimlich, wie ein Symbol, eine Warnung, eine Vorstellung dessen, was man sich nicht vorstellen kann. Wie eine Totale des Krieges. Ich denke an Mariupol, an den Tod in Übergröße. Die Stadt existiert kaum mehr, man weiß nicht, wie viele Menschen umgekommen sind, die russische Armee setzt mobile Krematorien ein, um die Spuren der Vernichtung zu vernichten. Wir hören nun die letzten Aufrufe von dort, gerichtet an uns. Die Menschen sterben, während wir spazieren, arbeiten, feiern, sie sterben, während die Regierung zögert, und wir werden Teil dieses verbrecherischen Zögerns.

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