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#Wie ewig ist das ewige Eis?

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„Wie ewig ist das ewige Eis?“

In Ihren Romanen und Gedichten beschreiben Sie die Schönheit von Islands Gletschern, zuletzt in dem Lyrikband „Nachtdämmern“ aber auch das Schwinden der Gletscher, ihr Sterben. Was bedeutet das für Island – und für uns?

Es ist ein Abschied, der unabwendbar ist, und das erste Wort, das mir in den Sinn kommt, ist: Trauer. Ich bin in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass Gletscher Symbole der Ewigkeit sind, unvergängliche Wunder der Natur. Dass sie sterben, macht mich unendlich traurig. Islands Gletscher Vatnajökull ist in den letzten Jahren zum traurigen Symbol der Klimakrise geworden.

Sie sagen bewusst „sterben“ und nicht „schmelzen“.

Weil Gletscher für mich wie lebendige Wesen sind. Sie sind Teil unseres Lebens. Ihr Sterben bedeutet für die Menschen in Island auch einen Verlust von Identität.

Inwiefern?

Ich denke, wir werden ohne Gletscher nicht dieselben sein. Sie spielen eine große Rolle in der isländischen Literatur und Poesie, in unserem Alltag, unserem Leben. Der Vatnajökull ist der größte Gletscher in Europa und außerhalb des Polargebiets, er hat den Alltag in Island vielfach sogar bestimmt, denn unter der Eiskappe befinden sich etliche aktive Vulkane. Wie wir als Nation denken, fühlen und handeln, ist eng mit der Natur verknüpft. Zehn Prozent von Islands Landfläche sind Gletscher. Wissen Sie, nirgendwo auf der Welt leben Menschen so nah an Gletschern wie in Island. Daraus ergibt sich ein anderes Lebensgefühl als zum Beispiel in der Schweiz, wo es Gletscher gibt. Aber sie sind im Alltag der Menschen nicht so präsent wie hier.

Welche Bedeutung hat der Gletscher Vatnajökull in Ihrem Leben?

Mein Vater wuchs auf einer Farm im Südosten Islands auf, wo der Gletscher die Landschaft dominiert, alles überragt und überstrahlt. Ich erinnere mich, dass mein Vater immer sagte, er sei im Schutz des Gletschers aufgewachsen. Auf dieser Farm habe ich als Kind jeden Sommer verbracht; sie liegt in Luftlinie nur etwa dreißig Kilometer vom Vatnajökull entfernt. Das Haus, in dem ich heute einen Teil des Jahres verbringe, ist ähnlich nahe gelegen. Ich sehe den Gletscher von meinem Schreibtisch aus, habe im Grunde mein Leben lang auf diesen Gletscher geblickt. In meiner Kindheit hatte er die Form einer Kuppel, gigantisch, umgeben von Lagunen. Inzwischen sind die Lagunen wegen des Schmelzwassers größer und der Vatnajökull ist flach, hat die Form einer Garage. Ja, Trauer ist das erste Wort, das mir einfällt. Und Wut. Für mich waren die Gletscher als Kind ein Symbol dafür, dass manches für immer da sein wird. Es macht mich wütend, dass wir Menschen die Klimakrise herbeigeführt haben. Ich denke, dass wir in Island das Sterben der Gletscher so nah miterleben, verändert unsere Wahrnehmung von Zeit.

Die isländische Schriftstellerin Steinunn Sigurðardóttir


Die isländische Schriftstellerin Steinunn Sigurðardóttir
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Bild: David Ignaszewski-Koboy/Dörlemann

Wie meinen Sie das?

Wir sehen, dass wir nicht mehr viel Zeit haben. Wir sind aus nächster Nähe Zeugen, wie die Klimakrise fortschreitet.

Wann haben Sie zum ersten Mal bewusst eine Veränderung wahrgenommen?

Ich kann es nicht genau sagen. Wenn ich an meine Bücher denke, taucht der Vatnajökull in „Herzort“, das 1995 erschienen ist, als Symbol der Ewigkeit auf. Zehn Jahre später habe ich den Roman „Sonnenscheinpferd“ geschrieben, dessen Protagonistin auf den Gletscher blickt. Sie weiß, dass sie sterben wird, und sie sieht, dass auch der Gletscher vergänglich ist, dass er kleiner wird. Da war mir schon klar, dass sich seine Form verändert.

Und heute?

Heute sehe ich mehr und mehr Schwarz in den Eisflächen, mehr Klippen und Felsen. Das Knirschen des Gletschers, wie er in Bewegung ist, das habe ich auch als Kind wahrgenommen. Aber jetzt sind es Eisbrocken, die man fallen hört. Ich kenne eine Frau, die als Gletscher-Guide arbeitet. Sie sieht von Woche zu Woche, wie sich der Vatnajökull verändert. So wie auch andere Gletscher, die Island durchziehen wie Venen. Für „Nachtdämmern“ habe ich mit vielen Menschen gesprochen, die nah am Vatnajökull leben.

Was haben sie Ihnen gesagt?

Berührend und zugleich erschütternd fand ich, wie ein Bauer mir sagte, dass er zum Gletscher geht, um Kraft zu schöpfen, wenn er sich schwach fühlt. Und dass er auch keine Zweifel hat, dass der Gletscher immer da sein wird – obwohl er ja mit eigenen Augen sehen kann, dass er weggeht und nicht mehr dieselbe Form hat wie vor zehn oder fünf Jahren. Ich habe Menschen getroffen, die die Klimakrise verdrängen. Und andere, denen es egal ist, dass der Gletscher irgendwann nicht mehr da sein wird.

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