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#Wie ich den Latte Macchiato nach Deutschland brachte

„Wie ich den Latte Macchiato nach Deutschland brachte“

Fünf Uhr morgens, der Kollege wartet schon mit dem Auto vor der Tür, auf geht’s nach Mailand. Fast 700 Kilometer, bis zum Mittagessen schaffen wir das. Könnte es eine bessere Gelegenheit geben als eine Fahrt nach Italien, um über die Karriere des Latte Macchiato nachzudenken? Also ab auf den Beifahrersitz, Laptop aufgeklappt und losschreiben. Wobei: Ohne einen Kaffee wird das dauern. Jetzt sind wir schon bald bei Darmstadt – und erst ein Absatz fertig.

Von der Globalisierung des Geschmacks

Alfons Kaiser

Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

Dies ist eine Geschichte von technischen Neuerungen, von der Globalisierung des Geschmacks und von einem Land, das sich endlich locker machen will. Es dauerte, bis italienische Kaffeekultur über die Alpen kam. Gut, wenn auf dem Fahrersitz ein Kenner sitzt: Er hatte seine erste Espressomaschine schon in den achtziger Jahren. Das war die Zeit, als es nicht mehr nur Jacobs-Kaffee gab, sondern auch Lavazza. In Haushaltswarengeschäften und bei Saturn konnte man plötzlich Gaggia-Espressomaschinen kaufen. Einen Milchaufschäumer hatten die frühen Maschinen noch nicht. Die Milch wurde noch mit dem Schneebesen aufgeschlagen, wenn überhaupt, denn es gab ja auch Sahne – und Sprühsahne!

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen. Aber wenn man bis tief in die neunziger Jahre in ein Café in Deutschland ging und einen Cappuccino bestellte, bekam man einen Kaffee mit dicker Sahnehaube. Und wenn man nur einen Kaffee bestellte und nach Milch fragte, dann warfen die Kellner Kondensmilchpäckchen auf den Tisch. Kondensmilch war vor 100 Jahren eingeführt worden, unter anderem von Karl Lagerfelds Vater Otto („Glücksklee“), weil richtige Milch nicht so lange haltbar ist und weil es noch keine Kühlschränke gab. Heute gibt es Kühlschränke. Und trotzdem liegen diese fiesen Plastikportionspackungen noch immer in Cafés und Bäckereien herum.

In Bologna lernte ich Latte macchiato lieben

Warum eigentlich? Denn es gibt ja Latte Macchiato, in dem sich Milch und Kaffee und Schaum wunderbar verbinden. Und wenn es die „gefleckte Milch“ nun auch flächendeckend in Deutschland gibt, dann hat das nicht nur mit dem Mann auf dem Fahrersitz zu tun, der als Spät-Achtundsechziger und parteiloses Mitglied der Toskana-Fraktion italienische Lebensart mit nach Deutschland brachte. Und nicht nur mit den Deutschen generell, die sich dank Gyros, Pizza und Falafel kulinarisch für die Welt öffneten. Sondern auch mit: mir.

Denn ich habe den Latte macchiato nach Deutschland gebracht. Nennen Sie mich verrückt, aber ich darf das in aller Bescheidenheit behaupten. Und das kam so: Als Student fuhr ich dauernd nach Italien und Spanien. In Bologna lernte ich den Latte macchiato lieben. In Madrid entdeckte ich die Leche manchada. „Entdecken“ ist das richtige Wort, weil sie gar nicht so verbreitet war. Meist brachte man mir einen Manchado – das ist dann aber ein „Café manchado“, also ein gefleckter Kaffee mit nur ein bisschen Milch. Ich aber fragte immer und überall nach einer Manchada – und bekam sie bald ungefragt in meinem Stammcafé hinter der Plaza Mayor. Hombre, was kam ich mir weltläufig vor, eine Manchada zu trinken und „El País“ zu lesen, obwohl ich von beidem gerade mal die Hälfte verstand.

Nachdem ich also in Madrid erfolgreich die Manchada eingeführt hatte, wagte ich mich an ein viel größeres Projekt: an Deutschland. Bei jeder Gelegenheit fragte ich seit Anfang der Neunziger nach einem Latte macchiato, in München, Berlin, Köln, überall. Nicht einmal in fortschrittlichen Cafés wie dem Burkardt in der Unteren Straße in Heidelberg, wo mein Kommilitone Eckhart Nickel hinter der Theke stand, gab es das schon, nur Cappuccino und Milchkaffee. Sogar diese internationale Studentenstadt war tiefste Provinz. So herrschte im Café auf dem Universitätsplatz bis tief in dieses Jahrtausend der Merksatz: „Draußen nur Kännchen!“

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