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#Wie kommen wir psychisch gut durch die Krise?

„Wie kommen wir psychisch gut durch die Krise?“

Herr Kalbitzer, nach zwei Jahren Pandemie hat der russische Präsident Wladimir Putin jetzt wenige 100 Kilometer von uns entfernt einen Krieg begonnen. Was macht das mit uns?

Julia Anton

Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.NET

Das Problem ist, dass wir durch die Corona-Pandemie sowie die Zeit mit Donald Trump als US-Präsident einerseits in einem ständigen Modus der Angst, und andererseits auch in einem Modus der schnellen Wut sind. Es gehört bei vielen von uns mittlerweile zu den Ritualen, direkt nach dem Aufstehen und in jeder Pause zu dem Handy oder Tablet zu greifen und nach den neuesten Nachrichten schauen. Das ist grundsätzlich ein natürlicher, menschlicher Reflex, seine Umwelt auf Gefahren zu prüfen, um sich gegebenenfalls vorbereiten oder schützen zu können. Nun ist aber eine Situation entstanden, in der wir eine augmentierte Realität haben. Die allermeisten von uns hier in Deutschland leben die ganze Zeit relativ sicher, aber durch die Überlagerung mit erschreckenden Nachrichten sind wir in einem Grundzustand der Hypererregtheit. Wir kommen gar nicht mehr zur Ruhe.

Jan Kalbitzer ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er leitet die Stressmedizin der Oberberg Kliniken.


Jan Kalbitzer ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er leitet die Stressmedizin der Oberberg Kliniken.
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Bild: Andreas Pein

Dabei erleben wir, anders als die Menschen in der Ukraine, in Bezug auf den Krieg noch gar keine unmittelbare Bedrohung.

Es gibt ja zwei Kriege, die gerade geführt werden: Zum einen der schreckliche, mit militärischen Waffen geführte Krieg in der Ukraine. Zum anderen ein Krieg um die Informationen und die Deutungshoheit. In Russland wissen aufgrund der Propaganda viele Menschen gar nicht, was in der Ukraine eigentlich passiert. Auch in Deutschland haben wir in der Corona-Pandemie viele Menschen an alternative Nachrichten verloren. Sie leben in einer Parallelwelt und schenken vielen Tatsachen keinen Glauben mehr. Wir müssen uns bewusst machen, dass das die Auseinandersetzung ist, die hier stattfindet. Aber wir müssen als Reaktion auf diese Krise auch das Positive sehen: nämlich dass Menschen sich wieder für Gerechtigkeit und Freiheit einsetzen.

Was hilft uns noch, diese Krise zu bewältigen?

Weil wir schon so lange in diesem Krisenmodus sind, fällt es uns schwer, abzuschalten. Deshalb ist es oft eine gute Lösung, sich über die Angst zu ärgern, und zu sagen: „Ich habe es jetzt satt, ich möchte mich nicht mehr von der Angst beherrschen lassen, ich möchte wieder aktiv am Leben teilnehmen und unter Menschen gehen.“ Wenn in knapp drei Wochen die letzten Corona-bedingten Einschränkungen fallen, sollte man diese Möglichkeiten nutzen. Es ist auch okay, zu beschließen: Ich lese jetzt nur noch einmal am Tag Nachrichten und erkundige mich dabei gezielt – nehme danach aber wieder am Leben hier, direkt um mich herum teil. Dabei kann die Wut auf die Angst hilfreich sein. Wir müssen unsere Gefühle nutzen: Angst ist dazu da, um uns wach zu machen, damit wir uns schützen und auf uns aufpassen. Wut hilft uns, Distanz zu gewinnen, zu Dingen, die uns schaden. Dazu gehören auch zu häufiger Medienkonsum oder soziale Netzwerke, in denen sich die Dinge schnell hochschaukeln können.

Für viele klingt das nach einem moralischen Dilemma: Sich um sich selbst kümmern und sich amüsieren, während man Bilder von Panzern und Kriegsflüchtlingen im Kopf hat.

Da muss man ein gutes Gleichgewicht finden. Wer gar nicht mehr genießt, ist schnell erschöpft und deprimiert – und ist dann auch keine Hilfe mehr. Deswegen braucht man eine Balance zwischen Zeiten, in denen man sich zurückzieht, gelassen und mit Freunden zusammen ist, und andererseits seine Ressourcen nutzt, um sich immer wieder für eine Sache einzusetzen und Informationen einzuholen, um eine angemessene Entscheidung treffen zu können. Gerade weil diese Krise für uns teilweise so abstrakt ist, ist es wichtig, sich einen Rückzugsort zu schaffen. Man könnte zum Beispiel sagen: Zuhause bei der Familie lese ich keine Nachrichten mehr, da bin ich in Gedanken bei den Menschen, die bei mir sind. Zu einem anderen Zeitpunkt suche ich dann gezielt Orte auf, an denen ich mich einbringe: zum Beispiel bei einer Hilfsorganisation oder bei mir in der Gemeinde. Das ist, was uns in der Krise am meisten stärkt: Dass wir Teil von etwas werden, das größer ist als wir und über uns hinaus geht.

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