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#Wie man im Tauziehen um Fachkräfte punktet

„Wie man im Tauziehen um Fachkräfte punktet“

Fast schon verzweifelt versuchen Regierungen rund um die Welt, Fachkräfte in ihre Länder zu holen. Der weltweite Mangel an gut ausgebildeten und erfahrenen Mitarbeitern führt zu Verlusten der Produktivität. Damit droht er auch eine Abwärtsspirale bei den Investitionen auszulösen. Berlin arbeitet mit Hochdruck an einem unbürokratischeren Zugang für ausgebildete Ausländer. Auch am anderen Ende der Welt, im Einwanderungsland Australien, wird fieberhaft nach Lösungen gesucht. Und der reiche Stadtstaat Singapur prescht vor, um die Besten der Besten auf die Insel zu locken.

Christoph Hein

Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.

Schon während seiner Zeit in der Opposition hatte der heutige australische Regierungschef Anthony Albanese einen „Gipfel für Vollbeschäftigung“ versprochen – sie aber ist angesichts einer Arbeitslosenrate von 3,4 Prozent erreicht. Der Wert ist der niedrigste Stand seit 48 Jahren. Deshalb tagt nun ein Gipfel, bei dem es um das Sammeln von Ideen für die Neuregelung des australischen Arbeitsmarktes geht. 142 von der Regierung ausgewählte Vertreter der australischen Gesellschaft, Politiker, Gewerkschafter, Firmenchefs und Verbandsvertreter, tagen bis zum heutigen Freitag in Canberra.

Gut 67 Prozent der Erwerbsfähigen in Australien sind beschäftigt oder suchen eine Stelle – auch das ist ein Rekord. 53 Prozent der Firmen aber geben an, nicht alle Stellen füllen zu können. Damit zählt Australien rund 430.000 offene Stellen.

Zuwanderung gegen Fachkräftemangel

Manager und Gewerkschaften dringen nun darauf, die Einwanderungsquote von 160.000 Menschen jährlich auf 200.000 zu heben. Selbst das aber wird kurzfristig kaum helfen: 600.000 Gastarbeiter mit befristeten Visa hatten Australien während der Pandemie verlassen. Es sind viele Hürden zu nehmen: Ihre Zustimmung binden die traditionell starken Gewerkschafter an die Forderung, den Mindestlohn für Gastarbeiter mit befristeten Verträgen von 53.900 australischen Dollar auf astronomisch anmutende 92.000 australische Dollar (62.931 Euro) fast zu verdoppeln.

Arbeitgeber stimmen einem Anheben auf 60.000 australische Dollar zu. Zugleich wollen Gewerkschafter Firmen verpflichtet sehen, für jeden ausgebildeten Gastarbeiter einen heimischen Arbeiter weiter zu schulen. Bevor mehr Immigranten ins Land gelassen würden, müsse es zudem Lohnerhöhungen für alle geben, um eine Beschäftigung attraktiver zu machen.

Albanese selbst möchte eine dauerhafte Zuwanderung statt einer höheren Quote von befristet zugelassenen Gastarbeitern. Zumindest will die Regierung die Visa für ausländische Hochschulabgänger in Australien nun von zwei auf vier Jahre ausdehnen – damit steigt die Chance, dass sie sich für immer an den Fünften Kontinent binden. Wie auch in Deutschland ist die Visavergabe in Australien derzeit anspruchsvoll: Knapp eine Million Anträge verstopfen die Dateien der Behörden. 60.000 der Anträge stammen von ausländischen Fachkräften.

Deutschland sollte sich eine Scheibe abschneiden

Auch in Deutschland ist eine Beschleunigung der Prozesse überfällig: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) haben schon skizziert, dass Fachkräfte bald auch dann einreisen und arbeiten dürften, wenn ihr Berufsabschluss in Deutschland noch nicht anerkannt ist, sie aber Berufserfahrung und einen Arbeitsvertrag haben.

Weil die geburtenstarken Jahrgänge bald in Rente gehen, dürfte sich der Mitarbeitermangel auch in der deutschen Wirtschaft weiter verschärfen. Es bleibt auch hier die Einwanderung: „Der große Hebel ist die Migration“, sagt Herbert Brücker, Forscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur Bundesagentur für Arbeit gehört. Ohne jegliche Einwanderung werde das Potential der Erwerbspersonen in Deutschland bis zum Jahr 2060 selbst dann kräftig schrumpfen, wenn Frauen und Ältere deutlich mehr arbeiteten.

Bei einer Nettozuwanderung von rund 400.000 Menschen im Jahr würde es hingegen gelingen, die Zahl konstant zu halten. Das Institut hält langfristig eine Nettozuwanderung von rund 100.000 Menschen im Jahr für realistisch. Zum Vergleich: Australien plant mit der doppelten Größenordnung, obwohl es nur knapp 26 Millionen Menschen zählt, während in Deutschland gut 83 Millionen leben.

Die Arbeitskräfte sind da

Wie der riesige Kontinent Australien ringt auch das kleine Singapur mit der Neuausrichtung seiner Zuwanderung: Aufgrund seiner äußerst restriktiven Visapolitik auch für Fachkräfte hat der reiche Kleinstaat in den vergangenen Jahren viel Ansehen bei ausländischen Investoren verspielt – auch deutsche Firmen klagten verzweifelt darüber, dass es ihnen extrem erschwert worden sei, Fachleute aus Deutschland auf die Insel zu holen.

Künftig will Singapur ausländischen Spitzenkräften ein Fünf-Jahres-Visum erteilen, wenn sie mehr als 30.000 Singapur-Dollar (21.411 Euro) monatlich verdienen. Ihre Partner sollen zudem das Recht erhalten, sich eine Beschäftigung zu suchen. Unter anderem dürfte dies dazu führen, dass ausländische Investoren ihre besten Entsandten höher bezahlen werden. Ausnahmekandidaten aus Sport, Kunst, und Wissenschaft und Lehre sollen zudem unter einem Sonderschema für einen begrenzten Zeitraum ins Land kommen dürfen.

Theoretisch stehen rund um die Erde genug potentielle Arbeitskräfte zur Verfügung. Beispiel Indien: Dort bewarben sich gerade 955.000 Menschen auf 3000 befristete Arbeitsplätze bei der Marine. Indien schafft es nicht, Monat für Monat seine eine Million Schulabgänger unterzubringen.

Dazu trägt bei, dass die Auslandsinvestitionen mit rund 21 Milliarden Dollar im vergangenen Haushaltsjahr zwar sehr hoch ausfielen, die Fabriken aber extrem automatisiert werden. Deutsche Firmen berichten, sie müssten indische Hochschulabgänger nach deren Ingenieurstudium rund zwei Jahre nachschulen, bis ihr Können demjenigen eines in Deutschland ausgebildeten Ingenieurs entspreche.

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