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#Wie offene Gesellschaften mit Corona umgehen

Wie offene Gesellschaften mit Corona umgehen

In offenen Gesellschaften wird am Ende alles zum Event, mitunter gar zur Party. Manchmal ist es befreiend, manchmal will es ausgehalten sein, aber immer gehört es dazu. Es hilft, selbst die schlimmsten Krisen zu überstehen, ohne dass die Gesellschaft ernste Risse bekommt. Das gilt auch für den Umgang mit dem Coronavirus.

Was hat es da inzwischen nicht alles an Verrücktheiten gegeben. Der amerikanische Präsident inszeniert seinen Krankenhausaufenthalt nach einer Corona-Infektion. Corona-Leugner versuchen, das Reichstagsgebäude zu erstürmen. Die AfD-Fraktion im Bundestag leistet sich einen bizarren Streit mit dem Parlamentspräsidenten wegen der von ihm aus gutem Grund angeordneten Maskenpflicht. Und jede Nacht wird irgendwo in Berlin-Mitte bis in den Morgen ohne alle Vorsicht dicht an dicht getanzt und gefeiert. Die Gesellschaft beschäftigt das, sie diskutiert darüber. Offene Gesellschaften verschweigen nicht, was sie gefährdet, auch wenn sie dabei gelegentlich übertreiben. Etwa wenn der Bundesgesundheitsminister meint, in Berlin werde scheel angesehen, wer mit Maske ein Lokal betrete.

So lebhaft die Debatte darüber geführt wird, was in Corona-Zeiten erlaubt ist und was nicht, immer wird deutlich: Eine klare Mehrheit lehnt es ab, verantwortungslos unvorsichtig zu sein – bei aller Freiheit. Und das, obwohl inzwischen alle genervt sind, dass die Einschränkungen uns nun schon über so viele Monate vom ganz normalen Leben abhalten, ohne Aussicht auf Besserung.

Im Grunde wurde selbst der Lockdown im März schon zu einer Art Event, allerdings einem positiven, und erst das machte ihn überhaupt erträglich. Nach dem Schrecken darüber, dass etwas so Archaisches wie ein Virus eine moderne Gesellschaft lahmzulegen vermag, wurde die Herausforderung angenommen. Oft auf witzige Weise, obwohl es um nichts Witziges ging. Auf einmal konnte sich Kreativität an der Gesichtsmaske austoben. Verstanden als Modeartikel, war es schon gleich nicht mehr so anstrengend, den lästigen, die Brille beschlagenden Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Und welche Formen einer Begrüßung da alle erfunden wurden. Ellenbogen an Ellenbogen, Fuß an Fuß. Neue Formen der Kommunikation übten ihren Zauber des Ungewöhnlichen aus. Das Zu-Hause-Arbeiten wurde zur neuen Erfahrung, und auch die wurde gleich heiterer, wenn man etwa per Videokonferenz hinter sich eine Bücherwand, seinen Hund oder seine Katze oder etwas dank Computertechnik Hineingebautes präsentieren konnte. Nachbarschaft ließ sich neu entdecken, gegenseitige Hilfe und Solidarität vor allem mit jenen, denen angesichts von Corona ganz bestimmt nicht zum Lachen war. Offene Gesellschaften sind eben auch offen für das Neue. Das war alles neu.

Noch ist kein Kraut gegen das Virus gewachsen

Freilich hat es sich inzwischen abgeschliffen. Jetzt wäre es eher erleichternd, wenn die Party endlich vorüber wäre. Für freiheitliche Ordnungen wird es immer dann gefährlich, wenn sich der Eventcharakter verliert und nur eines bleibt, um schwierige Lagen auszuhalten: an die Verantwortung jedes Einzelnen zu appellieren. Diese Phase erleben wir bei Corona gerade. Nicht so sehr wegen der wieder stark steigenden Infektionszahlen. Die stellen für sich genommen kein Problem dar, denn sie sind vergleichsweise immer noch gering, die medizinische Versorgung bis hin zu Intensivbetten vorerst gesichert. Schwerer wiegt, dass gegen Covid-19 noch kein Kraut gewachsen ist, kein Impfstoff, keine Therapie.

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Der Staat versucht, die Bürger zu schützen. Er macht sich dabei nicht beliebt, denn er muss es mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen tun. Wenn etwa die großen Städte jetzt nachts stillgelegt werden. Wenn immer mehr Reisende in Quarantäne müssen und schon ein Treff mit mehreren Freunden verboten ist. Wenn ganz normales Leben gleichsam in die Illegalität abwandert. Doch nützt staatliches Handeln in einer offenen Gesellschaft nur bedingt, wenn nicht die Einsicht der Bürger in das Notwendige hinzutritt oder, groß gesprochen, die Verantwortung für die Freiheit. Das aber geht nur, wenn es nicht ein stilles Erdulden bleibt, sondern den Menschen etwas abverlangt wird, was sie selbst voranbringt in ihrem Tun und Denken, ihrer Kreativität, ja auch ihrer Genugtuung darüber, mit einer durch und durch unliebsamen Sache fertigzuwerden.

Es klingt komisch, aber wenn Corona zum positiven Event gemacht wird, ist dem Virus schon viel von seiner Gefährlichkeit genommen. Wie zum Beispiel tragen Sie Ihre Maske in der Öffentlichkeit, wenn Sie die nicht gerade im Gesicht haben? Unterm Kinn? Am Ellenbogen baumelnd? Beides gilt als chic. Die Hauptsache ist, dass Sie Ihre Maske zeigen und sie nicht irgendwo in der Tasche verschwinden lassen. Das ist doch ein schönes Beispiel dafür, wie sich offene Gesellschaften immer wieder ermutigen können.

Frank Pergande

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