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#Wie sich Boris Johnson als Windkraftpionier inszeniert

Wie sich Boris Johnson als Windkraftpionier inszeniert

Als die Konservative Partei Anfang des Jahres ihren Parteitag in Birmingham plante, dachte sie an eine Krönungsfeier. Boris Johnson hatte gerade die Parlamentswahlen mit einer historischen Mehrheit gewonnen, und es würde das erste Mal sein, dass er vor dem versammelten, jubelnden Parteivolk auftritt. Dann kam Corona, und die Gleichung ging aus mehreren Gründen nicht mehr auf. Nicht nur gehören Großveranstaltungen seither der Vergangenheit an. Die Pandemie legte auch Johnsons politische Agenda auf Eis, und das erzwungene Seuchenmanagement brachte nicht eben die Stärken des Premierministers zum Vorschein. So sprach Johnson am Dienstag aus der digitalen Konservendose zu einer Partei, in deren Gunst er auf einen Tiefstand gefallen ist.

Jochen Buchsteiner

Die Begleitumstände der Rede ließen sich ungünstiger kaum vorstellen. Wie schon während der „Ersten Welle“ der Corona-Infektionen ist die Lage im Königreich angespannter als andernorts. Mit mehr als 12.000 Infektionen am Tag – Tendenz weiter steigend – ist die Nation auf dem besten Weg, sich abermals an die traurige Spitze in Europa vorzuarbeiten. Zu Beginn des virtuellen Parteitags wurde bekannt, dass ein „technischer Fehler“ tagelang zu niedrige Zahlen produziert hatte. Die Behörden mussten plötzlich 16.000 Fälle nachtragen, so dass die Infektionszahl am Sonntag kurzzeitig bei horrenden 23.000 lag.

„Billiger als Kohle, billiger als Gas“

Während Gesundheitsminister Matt Hancock die Panne im Unterhaus erläuterte und den Vorwurf der „Inkompetenz“ zurückwies, ereignete sich auf dem digitalen Parteitag die nächste Panne. Eine größere Runde von Unternehmern hatte sich (für viel Geld) einen Computer-Termin mit Johnson und Schatzkanzler Rishi Sunak verschafft, um im Rahmen des Delegiertentreffens die Wirtschafts- und Zukunftspolitik der Regierung zu diskutieren. Doch zunächst starrten die Teilnehmer 50 Minuten lang auf ein Standbild mit dem kleinen, sich drehenden Kreis in der Mitte. Die Häme, die sich danach über die Regierung ergoss, lässt sich erahnen.

Johnson kam auf diese Peinlichkeiten am Dienstag nicht zu sprechen, sondern trat als zupackender, positiv denkender Visionär auf. Statt sich mit den coronabedingten Einbrüchen der Wirtschaft zu beschäftigen, erklärte er die Krise zu einer beschäftigungspolitischen Chance: „Ich kann heute ankündigen, dass die britische Regierung entschieden hat, der Weltführer bei der kostengünstigen Generation sauberer Energie – billiger als Kohle, billiger als Gas – zu werden“, sagte er und stellte in Aussicht, dass die Windenergie in zehn Jahren „jedes Haus in diesem Land versorgen wird“.

Zum Beispiel mit der „Burbo Bank Offshore Wind Farm“ in der Nähe von Brighton will Boris Johnson das Vereinigte Königreich zum „Saudi Arabien der Windkraft“ machen.


Zum Beispiel mit der „Burbo Bank Offshore Wind Farm“ in der Nähe von Brighton will Boris Johnson das Vereinigte Königreich zum „Saudi Arabien der Windkraft“ machen.
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Bild: AFP

Wer glaubte, nicht richtig gehört zu haben, dem sagte Johnson: „Sie haben mich richtig verstanden: Ihr Wasserkocher, Ihr Herd, Ihre Waschmaschine, Ihr Elektroauto – all das wird den Saft sauber und ohne Schuld von den Brisen erhalten, die über diese Insel wehen.“ Das Versprechen auf eine „grüne Industrierevolution“ hatte schon Johnsons Wahlkampagne geschmückt, was damals einige überraschte. Selbstironisch erinnerte er am Dienstag an „einige Leute“, die vor zwanzig Jahren mit Hohn über die Windenergie geredet hätten.

Der „großartigste Platz auf Erden“

Tatsächlich ist es nur sieben Jahre her, dass Johnson der Windenergie nicht einmal zugetraut hatte, „die Haut von einem Reispudding abzuziehen“. Jetzt stellt er die Technologie in den Mittelpunkt seiner Energiepolitik: „Was in Saudi-Arabien das Öl ist, ist in Großbritannien der Seewind – ein Ort fast grenzenloser Ressourcen, aber im Falle des Winds ohne CO2-Emissionen und Schäden für die Umwelt.“ Mehr noch: Johnson zog eine Linie von seiner neuen Priorität in die glorreiche Vergangenheit des Empires. „Es war der Seewind, der schon die Segel Drakes, Raleighs und Nelsons gefüllt und dieses Land zu kommerzieller Größe getrieben hat.“ Nun werde seine „grüne Industrierevolution“ in den kommenden zehn Jahren „Hunderttausende, wenn nicht Millionen Arbeitsplätze“ schaffen.

Es war nicht das einzige Vorhaben, das Johnson in seiner Grundsatzrede vorstellte. Er versprach, den „kaputten Immobilienmarkt zu reparieren“, die Bürokratie und das Ausbildungssystem zu reformieren, höhere Einkommen zu schaffen sowie die regionalen und sozialen Ungerechtigkeiten abzubauen. Das Land habe durch Corona zu viel gelitten, um jetzt lediglich die Rückkehr zur Normalität von 2019 anzustreben, sagte er. Vielmehr nutze die Regierung die Pandemie als Katalysator für Wandel und werde Großbritannien zum „großartigsten Platz auf Erden“ machen.

Der naturgemäß ausgebliebene Applaus verstärkte die Zweifel, ob die bombastischen Ankündigungen die erhoffte Aufbruchsstimmung schaffen können. Im Land hat sich eine gewisse Müdigkeit breitgemacht, seit andere vollmundige Versprechen des Premierministers ins Leere liefen, etwa das „weltbeste“ Corona-Test- und -Kontaktverfolgungssystem, das im internationalen Vergleich wenige beeindruckt. Die Briten wissen, dass jetzt nicht die Zeit für hochfliegende Pläne und pompöse Ankündigungen ist, sondern für Kärrnerarbeit im Kampf gegen die Pandemie.

Johnsons Absacken auf den Beliebtheitslisten – im parteieigenen Barometer von „Conservative Home“ rangiert er derzeit an vorletzter Stelle der Kabinettsmitglieder – wird auch darauf zurückgeführt, dass er weniger energiegeladen und zuversichtlich wirkt als vor seiner Covid-Infektion. Vorwürfe, die Erkrankung habe ihn seines „Mojos beraubt“, wies er am Dienstag als „Unsinn“ und „Propaganda“ zurück. Die Krankheit habe ihn so schwer getroffen, weil er „zu fett“ gewesen sei. Inzwischen habe er aber 26 Pfund abgenommen und biete allen Skeptikern an, sich im Armdrücken und anderen Disziplinen zu messen. Den kürzlich verwendeten Vergleich, er fühle sich „fit wie ein Metzgershund“, wiederholte er nicht.

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