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#Wie sich eine Sportlerin mit Bolsonaro anlegt

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Wie sich eine Sportlerin mit Bolsonaro anlegt

Normalerweise ist der brasilianische Spartensender SporTV nicht für seine politische Berichterstattung bekannt. Meist geht es hier um die vielen Trainerentlassungen in der heimischen Fußballliga Serie A, die neuesten Affären von Neymar oder um die hart umkämpfte Volleyballsaison. Nun aber landete SporTV unabsichtlich einen sportpolitischen Coup.

Grund dafür ist Carolina „Carol“ Solberg, die ihren dritten Rang am Rande eines Beachvolleyballturniers am Strand von Saquarema im Großraum Rio de Janeiro mit einem gesalzenen Statement würdigte. „Fora Bolsonaro“, rief die 33-Jährige am Ende eines Live-Interviews im September. Was so viel bedeutet wie: „Bolsonaro raus!“ Es ist der Schlachtruf der breitgefächerten Bolsonaro-Opposition in Brasilien. Ob Umweltschützer, linke Aktivisten, die Antifa oder Menschenrechtsverteidiger: Auf „Fora Bolsonaro“ können sich alle verständigen, die dessen bisweilen extremistische und umweltfeindliche Politik verurteilen.

Carolina Solberg ist keiner der ganz großen Stars der Szene, aber sie gehört seit Jahren zur Weltspitze, was zu einem ordentlichen Bekanntheitsgrad in ihrer Heimat geführt hat. Der ist nun sprunghaft gestiegen, seit Solbergs Äußerung zu hitzigen Debatten geführt hat, die in die Frage münden: Wie weit und öffentlich darf sich eine Sport-Persönlichkeit zur politischen Lage äußern? In Kuba, Venezuela oder Nicaragua würde eine derartige regierungskritische Äußerung live im Fernsehen das sofortige Karriereende bedeuten.

Aber auch im neuen Brasilien, das sich unter Bolsonaro mehr und mehr solch totalitärem Regierungshandwerk annähert, sind regierungskritische Statements inzwischen nicht mehr folgenlos. In den sozialen Netzwerken erklärten die Bolsonaro-Anhänger Solberg flugs zum Feindbild. Von der Ipanema-Marxistin ist da die Rede, von einer irrlichternden Linken, der die Sponsoren- und Fördergelder gestrichen werden müssten. Eine Forderung, die wohl nicht auf fruchtbaren Boden fällt, denn inzwischen haben sich auch Banken und die Agrarindustrie, besorgt um den eigenen Ruf, in Initiativen engagiert, die von Brasilien eine umweltfreundlichere Politik einfordern.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Für Solberg steht einiges auf dem Spiel. Sie muss sich für ihren Spruch vor einem Gericht verantworten, dem Superior Court of Sports Justice. „Meine Besorgnis in diesem Fall ist, Gewalt gegen eine junge Athletin zu verhindern“, sagt ihr Anwalt Felipe Santa Cruz. „In einem so schwierigen Jahr ist es sehr schädlich, eine Strafe zahlen zu müssen oder das Recht zu verlieren, seinen Beruf auszuüben.“ Beides könnte ihr drohen. Die Position des Solberg-Lagers ist klar: Carol Solberg habe das Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt. Sie habe weder das Image des zweitmächtigsten brasilianischen Sportverbandes (CBV) noch das der Sponsoren beschädigt.

Sie habe niemanden attackiert oder verletzt, sondern einfach nur ihren Standpunkt deutlich gemacht. Der nach eigenen Angaben über das Verhalten Solbergs „traurige und unzufriedene“ brasilianische Volleyball-Verband sieht das in einer ersten Reaktion allerdings anders und kündigte Maßnahmen an. Auch deshalb suchte sich der prominente Anwalt Santa Cruz Verstärkung und nahm den Spezialisten für Sportrecht Leonardo Andreotti in seine Mannschaft auf. Ihre wichtigste Aufgabe: Verteidigung.

Tatsächlich ist Solberg in der brasilianischen Sportlandschaft, die vom Fußball, Volleyball und Kampfsport maßgeblich geprägt wird, eine der wenigen Persönlichkeiten, die es wagt, in der Öffentlichkeit gegen Bolsonaro Position zu beziehen. Dem ehemaligen Weltfußballer Ronaldinho oder Superstar Neymar werden dagegen eine Nähe zum Rechtspopulisten in Brasilia nachgesagt, andere ziehen es vor, in der polarisierten Gesellschaft zu schweigen. Deutlich mutiger sind die Fußball-Ultras, die in einigen Demonstrationen eindeutig gegen Bolsonaro Flagge zeigten. Aber auch unter den Anhängern ist das umstritten: Es gibt auch in den Fanklubs zahlreiche Anhänger des Präsidenten, besonders weil sich dieser für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebs einsetzte und seine Regierung Hilfsgelder an die notleidende Bevölkerung auszahlt. Nicht wenige von ihnen standen vor der Corona-Pandemie in den Fankurven des Landes.

Solberg kann allerdings darauf hoffen, dass sich die Justiz in dieser Woche auf ihre Seite stellt. Bislang – und das unterscheidet Brasilien noch von anderen totalitären Staaten in Lateinamerika – sind große Teile der Justiz demokratischen Grundwerten wie Meinungs- oder Pressefreiheit verpflichtet statt der gerade herrschenden Ideologie. So musste das Bolsonaro-Lager in den vergangenen Monaten einige harte Schlappen in den Gerichtssälen des größten lateinamerikanischen Landes hinnehmen. Diese größtenteils noch funktionierende Kontrollfunktion einer Gewaltenteilung ist es, die Brasilien noch davon abhält, mehr und mehr in einen totalitären Staat abzugleiten. Der Fall Solberg ist deshalb auch dafür eine Art Bestandsaufnahme. Die Beachvolleyballerin selbst gibt sich kämpferisch und sagte: „Ich nehme nichts zurück.“

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