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#Wie sieht ein guter Kompromiss aus?

„Wie sieht ein guter Kompromiss aus?“

Kompromisslos für eine Sache einzutreten erntet bisweilen Bewunderung, jedenfalls wenn es sich um eine gute Sache handelt. Gleichwohl dürfte die Bereitschaft zum Kompromiss nicht niedriger im Kurs der Alltagstugenden stehen als die Entschlossenheit, die sich nicht beirren lässt; eher vermutlich höher, zumindest in unseren demokratisch-liberalen Gesellschaften. Zeitgenossen, die umgänglich sind, mit sich reden lassen und bei Streitigkeiten Zugeständnisse machen, scheinen nachgerade die Idealbesetzung für die Rolle des Mitmenschen unter Bedingungen des politisch-weltanschaulichen Pluralismus und zunehmender kultureller Diversität zu sein. Doch reichen Dialogbereitschaft und guter Wille nicht immer aus, um Dissense aus der Welt zu schaffen. Und selbst wenn neben gutem Willen auch hinreichend Verstand bei allen Konfliktparteien zu finden ist und zudem kein Zeitdruck herrscht, der Selbstbehauptungsreflexe verstärkt, kann es sein, dass der Austausch von Argumenten einen Zwist nicht beizulegen vermag.

Recht eigentlich sind es ebensolche Situationen unüberwindlicher Meinungsverschiedenheit und Interessendivergenz, in denen Kompromisse – allererst – gefragt sind; Situationen, in denen kein Konsens zu erzielen ist, es sei denn der Konsens darüber, dass ein Dissens bestehe. Dafür indes, dass dennoch ein Interessenausgleich ernstlich gesucht wird, müssten die in einen Streit Verwickelten bei aller sonstigen Uneinigkeit zudem darin einig sein, eine Eskalation vermeiden zu wollen. Desperados und Hasardeure kommen als Kandidaten für tätige Kompromissbereitschaft naturgemäß kaum in Betracht.

Man tut, was man nicht tun will

Von der „Möglichkeit einer letzten Zuflucht“ spricht Véronique Zanetti in ihrem Buch „Spielarten des Kompromisses“, das eines der nicht eben zahlreichen ist, die sich aus philosophischem Blickwinkel des Themas annehmen. Der Titel deutet es an: Das Augenmerk der Autorin, die an der Universität Bielefeld als Professorin für Politische Philosophie arbeitet, gilt der erstaunlichen Vielgestaltigkeit des Phänomens namens „Kompromiss“, das auch beträchtliche Grauzonen der Vieldeutigkeit kennt. Ebenso sehr ist sie jedoch an dem interessiert, was man dessen Sortenreinheit nennen könnte, an der Kombination von Merkmalen, die es von verwandten Phänomenen auf dem weiten Feld der Konfliktbearbeitung unterscheidet. So hebt sie etwa eine Kompromisssituation von einem moralischen Dilemma ab, in dem jede der verbliebenen Entscheidungsmöglichkeiten in einem moralischen Sinne falsch ist; und sie vergleicht die Kompromissbereitschaft mit der Tugend der Toleranz, die bei anderen großmütig duldet, was ihr gegen den Strich geht.

Véronique Zanetti: „Spielarten des Kompromisses“.


Véronique Zanetti: „Spielarten des Kompromisses“.
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Bild: Suhrkamp Verlag

Auch ein Kompromiss verknüpft in gewisser Weise Ablehnung mit Akzeptanz. Er wird im Sinne von Zanettis akribischen Problembeschreibungen „nicht ohne ein gewisses Bedauern“ geschlossen. Selbst wenn unter den gegebenen Umständen nichts Besseres hätte herauskommen können, und selbst dann, wenn seine Verweigerung zu einer Verschlechterung der (eigenen) Lage geführt haben würde, wenn die Opponenten also im Sinne einer unverächtlichen Rationalität der Selbsterhaltung klug gehandelt haben, selbst dann ist und bleibt der Kompromiss ein „unbefriedigender Handel“. Er erscheint, weil die Beteiligten Abstriche an ihren ursprünglichen Absichten machen, in ihrer jeweiligen Perspektive unvermeidlich als nur die „zweitbeste Lösung“. Der Kompromiss rückt damit, obgleich er zu einer friedlichen Koexistenz verhelfen soll, in ein Zwielicht. „Man tut, was man nicht tun will“, formuliert Zanetti zuspitzend.

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