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#Wie Söder für die Atomkraft kämpft

„Wie Söder für die Atomkraft kämpft“

Was in der Politik möglich ist, wenn der Wille groß genug, zeigte 2011 die Entscheidung zum Atomausstieg. Damals gab es zumindest intern unter Fachleuten größte Zweifel, ob man ihn rechtssicher hinbekomme – es sollte sich zeigen: zu Recht. Einer, der sich über die Zweifel hinwegsetzte, war der bayerische Umweltminister von der CSU: Markus Söder. Fukushima ändere alles, sagte er.

Nun, als bayerischer Ministerpräsident, sieht Söder abermals die Zeit gekommen, um bisherige Festlegungen über Bord zu werfen. Diesmal ist es der Krieg in der Ukraine, der aus seiner Sicht alles ändert. Er verlangt deshalb schon seit Wochen den Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke, die in Deutschland noch am Netz sind, eines davon, Isar 2, in Bayern. Einwände, etwa von Kanzler Olaf Scholz, der behauptet, neue Brennstäbe für den Weiterbetrieb seien nicht rechtzeitig zu bekommen, beschied Söder harsch: Das sei „Blödsinn“.

Kraftwerksbetreiber wollen beim Ausstieg bleiben

Am Mittwoch gab der CSU-Chef im Deutschlandfunk ein ruppiges Interview dazu. Mehrmals unterstellte Söder dem Fragesteller, voreingenommen zu sein, gegen die Atomkraft. Dieser führte Einwände gegen einen Weiterbetrieb an, etwa, dass ihn die Betreiber selbst nicht wollen – ein Argument, das man vor ein paar Monaten auch noch von CSU-Politikern gehört hat.




Tatsächlich wollen die Kraftwerksbetreiber beim Atomausstieg bis Ende dieses Jahres bleiben, sie verkaufen das als „Respekt“ vor der Entscheidung der Bundesregierung. Die eigentlichen Gründe dürften aber andere sein: Die Konzerne wurden für den Ausstieg üppig entschädigt und haben ihre Strukturen darauf ausgerichtet. Söders inhaltliche Entgegnung ging in seinem Unmut über die Interviewführung etwas unter, aber sie war da. So verwies er darauf, dass das bayerische Umweltministerium, geführt vom Freien Wähler Thorsten Glauber, Gutachten in Auftrag gegeben hat, die sich nicht nur mit einem möglichen Weiterbetrieb von Isar 2 beschäftigen, sondern auch ein eventuelles Wiederanfahren des Blocks C von Gundremmingen in den Blick nehmen. Beides ist demnach technisch wie auch rechtlich möglich.

So kommt der TÜV Süd in einem Gutachten von Mitte April zum Ergebnis, dass sämtliche Maßnahmen, die der Betreiber des AKW Gundremmingen seit der Abschaltung veranlasst habe, „zurückgenommen werden könnten“, und zwar etwa binnen eines halben Jahres. Danach sei ohne die Beschaffung frischer Brennelemente ein Leistungsbetrieb für etwa ein halbes Jahr möglich.

Isar 2 könne weiterbetrieben werden. Zu einer Sicherheitsüberprüfung sei kein Abfahren der Anlage notwendig. Der Reaktorkern des aktuellen, etwa ein Jahr dauernden Betriebszyklus sei so ausgelegt, dass am Ende des Zyklus Reaktivitätsreserven bestehen, die einen sicheren Weiterbetrieb für etwa 80 Tage ermöglichen. Unter Einhaltung der Sicherheitsstandards bestehe die Option, einen neuen Reaktorkern lediglich durch das Umsetzen der Brennelemente, also ohne den Einsatz neuer, auszulegen. Damit, so die Fachleute, wäre ein Leistungsbetrieb von etwa drei Monaten möglich. Insgesamt würde damit bis August 2023 eine zusätzliche Strommenge von etwa 5160 Gigawattstunden erzeugt.

Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm: Isar 2 ist als einziges Kernkraftwerk  in Bayern noch nicht vom Netz gegangen.


Wasserdampf steigt aus dem Kühlturm: Isar 2 ist als einziges Kernkraftwerk in Bayern noch nicht vom Netz gegangen.
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Bild: dpa

Aufgrund bisheriger Erfahrungen halte man, so der TÜV, eine Lieferung frischer Brennelemente innerhalb von zwölf Monaten für möglich. Bei einer rechtzeitigen Bestellung wäre damit eine Lieferung bis August 2023 möglich – und mithin eine Weiterführung des Betriebs über den Herbst 2023 hinaus. Daraus ergibt sich: Wenn man Isar 2 weiterbetreiben will, ist Eile geboten. Das gilt noch mehr im Fall von Gundremmingen. Der amerikanische Brennstäbehersteller Westinghouse hatte zuletzt dem „Handelsblatt“ gesagt, er könne sogar noch binnen dieses Jahres Brennstäbe liefern. Allerdings schließe sich das Zeitfenster schnell.

Der Atom- und Strahlenschutzrechtler Christian Raetzke, ebenfalls vom bayerischen Umweltministerium beauftragt, kam Anfang April zum Ergebnis, dass das Atomgesetz im Einklang mit dem Grundgesetz geändert werden könne, um die Laufzeiten von Isar 2 und Gundremmingen zu verlängern. Als Basis dafür könnten der Krieg in der Ukraine und die sich daraus ergebenden Versorgungsengpässe gelten. Auch die Tatsache, dass bei der Kernspaltung kein CO2 freigesetzt werde, sei zu berücksichtigen.

Braucht es eine „Neugenehmigung“?

Wenn der Gesetzgeber die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verlängere oder wiederherstelle, müssten laut Raetzke die vorhandenen Genehmigungen nicht geändert oder neu erteilt werden. Das steht im Widerspruch zu Aussagen des Bundeswirtschafts- und des Bundesumweltministeriums, die beide von Grünen geführt werden. Laut ihnen setze der Weiterbetrieb eine „Neugenehmigung“ voraus.

Raetzke ist der Ansicht, auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei nicht erforderlich, da alle avisierten Laufzeitverlängerungen sich „innerhalb der technischen Lebensdauer“ der jeweiligen Kraftwerke bewegen. Für eine Laufzeitverlängerung müsste der Gesetzgeber das Enddatum der Kraftwerke ändern, die Reststrommengen wären entweder anzuheben oder ganz abzuschaffen.

Ein weiterer Einwand, der im Deutschlandfunk-Interview auch gegenüber Söder vorgebracht wurde, lautet, dass womöglich nicht genug Personal für den Weiterbetrieb da sei. Darauf wird in den Gutachten nicht eingegangen (auch nicht auf die Frage, wie sinnvoll ein Weiterbetrieb energiepolitisch wäre). Aus der Bayerischen Staatsregierung ist aber zu hören, dass wegen des bisher geplanten Rückbaus der Kraftwerke ohnehin noch viele Spezialisten in den Anlagen arbeiten. Außerdem könne man Fachleute aus dem Ausland anwerben.

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