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#Wie Ukrainer im Vernichtungskrieg überleben

„Wie Ukrainer im Vernichtungskrieg überleben“

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat uns, die Bewohner Europas, zurückgebombt ins 20. Jahrhundert. Es war recht friedlich ausgeklungen mit der Formel vom „Ende der Geschichte“. Jetzt sind seine Dämonen wieder da: Krieg, auch der Luftkrieg mit seinen Schrecken. Kriegsverbrechen und millionenfache Flucht. Und ein Vernichtungskrieg gegen ein ganzes Land. Aber eines ist anders als früher: Die Technik macht es möglich, auch aus der Ferne Opfer und Zeugen zu suchen, bekannte Gesichter wiederzusehen. Auch in der Ostukraine – solange es noch Telefonnetze und Internet gibt.

Ein Priester berichtet aus Kramatorsk

Gerhard Gnauck

Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

Der Priester, der mit seiner Familie bis vor wenigen Tagen in Kramatorsk lebte, in einer Stadt, die – Stand Donnerstag – beschossen wurde, aber nicht besetzt war, war schon vor Jahren ein Hansdampf in allen Gassen. Er hielt Gottesdienst, leistete humanitäre Arbeit. Wer ihn besuchte, erlebte einen Mann von großer Robustheit und Arbeitskraft. Schon 2014, als Russland die Krim annektierte, Konflikte in der Ostukraine schürte und dort auch mit eigenen Truppen eingriff, hatte er beherzt gehandelt: etwa als ein kleines Mädchen in einem Viertel umherirrte, in dem gekämpft wurde (es wurde in Sicherheit gebracht). Jetzt ist die Angst größer als damals: Der Priester bittet per Videotelefonat, ihn nicht genau zu beschreiben, seine Konfession nicht zu nennen. „Denn wenn ich gefangen genommen werde . . .“ Der Satz bricht ab.


Bild: F.A.Z.-Karte

Der Priester pendelt seit Wochen zwischen der West- und der Ostukraine. Am Wochenende, an dem die Ostkirchen das Osterfest feiern, wollte er wieder in Kramatorsk sein. „Unser Land ist ein Heerlager geworden“, sagt er. „Die einen kämpfen, die anderen unterstützen sie dabei.“ Er fährt Hilfsgüter in den Osten; per Handy zeigt er mit sichtbarer Freude, dass er seinen Wagen wieder vollgeladen hat. Und er fährt auch Menschen in den Westen, auf dem Rückweg. Es seien offiziell nur noch zwanzig Prozent der Einwohner in dem frontnahen Ort geblieben, sagt er, „real wohl noch weniger“. Er erzählt von seiner Tochter, die in der unter russischem Beschuss leidenden Großstadt Charkiw lebte. „Sie hatte große Angst, rauszugehen. Denn auf der Straße lagen die zerfetzten Leichen von Großmütterchen. So hat sie eine Woche im Badezimmer gesessen, wo man vor dem Beschuss sicherer ist.“ Er bat Bekannte, seine Tochter aus der Stadt herauszuholen. Die Aktion gelang.

Dann erzählt er von noch schlimmeren Momenten. Von vergewaltigten Frauen. Von Begräbnissen. Ein Bekannter von ihm: im Osten der Ukraine gefallen, im Westen beerdigt. „Von ihm waren nach einer Explosion nur der Kopf und ein Bein übrig. So haben wir ihn beigesetzt.“ Der Priester, den früher nichts erschüttern konnte, weint. Er unterbricht das Gespräch. Später, als er sich gefasst hat, sagt er: „Politiker beginnen Kriege, Priester und Lehrer müssen sie beenden. Das hat Napoleon gesagt. Ja, wir müssen diesen Krieg aus unseren Herzen und Köpfen hinausdrücken. Aber ich sage Ihnen, Europa wird noch mehr als einmal erschaudern, wenn es erfährt, was hier passiert.“

Eine Politologin erzählt von ihren letzten Tagen in Mariupol

Wer früher Mariupol besuchte, der besuchte auch das „Halabuda“. Das Bildungszentrum bot Kurse an und war ein wichtiger Freiraum für alle möglichen Aktivitäten. Hier beginnt die Geschichte von Iryna Kondratenko, kurz: Ira. Die junge Politologin, die auch Deutsch spricht, war dort „Art Managerin“. Als der Krieg begann, verwandelte sich das Zentrum in ein Hauptquartier der freiwilligen Helfer, aus dem Arbeitsort wurde eine WG. Etwa dreißig Leute zogen dort ein, Ira brachte sogar ihre drei Katzen mit. „Mein Wohnblock liegt im Osten der Stadt, Richtung Russland, und wie ich auf Videos gesehen habe, ist er jetzt ein Haus ohne Dach.“ Aus dem Halabuda wurde eine große Suppenküche für die Zivilbevölkerung, erst für etwa hundert, dann für 300 Menschen. „Wir bekamen Hinweise auf Läden, deren Besitzer vor den Bomben geflohen waren. Dann haben wir im Beisein der Polizei die Läden geöffnet, Essen, Medikamente und Hygieneartikel entnommen und bei uns gelagert. Wir waren keine Plünderer: Wir haben die Sachen umsonst bekommen und umsonst an die Bevölkerung weitergegeben.“

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