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#Wie unsere Gesellschaft immer mehr das Risiko scheut

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Wie unsere Gesellschaft immer mehr das Risiko scheut

Zwei, drei, allenfalls vier Meter von der Rennstrecke entfernt standen die Fotografen, als der in Führung liegende Jochen Rindt mit seinem Formel-1-Auto durch Eau Rouge schoss. Mehr als hüfthohe Leitplanken hielt man in der gefürchteten Kurvenkombination von Spa-Francorchamps nicht für nötig. Dabei brachte Rindts Lotus schon damals, im Jahr 1970, 400 PS auf die Piste. Karambolagen waren keine Seltenheit. Der Motorsport war für alle Beteiligten ein Nervenkitzel um Leben und Tod. 14 Tage nach Spa verunglückte der Brite Piers Courage beim Grandprix in Zandvoort tödlich. Der als Legende gefeierte Deutsche Rindt starb wenige Wochen drauf beim Abschlusstraining in Monza.

Niklas Záboji

Ein halbes Jahrhundert später ist der Umgang mit Gefahren in der Formel 1, die seither noch 17 weitere Rennfahrer das Leben gekostet hat, ein anderer. Riskante Kurven wie Eau Rouge wurden entschärft, der Kopf der Piloten mit einem Cockpitschutz versehen. Fotografen, Streckenposten und Zuschauer blicken heute aus weiter Entfernung auf den Asphalt. Von Umweltschützern ohnehin in Frage gestellt, gibt sich die Formel 1 in puncto Sicherheit vorbildlich. Die Verantwortlichen wissen: Jeder Tote könnte das Ansehen der Rennserie irreparabel schädigen.

Fortschritt braucht Wagnis und Freiheit

Die Neubewertung von Risiken zeigt sich nicht nur im Motorsport. Auch überall sonst lässt die Gesellschaft mehr Vorsicht walten: Beim Autofahren gilt größtenteils ein Tempolimit, beim Besuch von Gaststätten mehrheitlich ein Rauchverbot; Banken wurden an die Kandare genommen, viele Kinder an die Leine ihrer Helikoptereltern. Die Gründe reichen vom technischen und wissenschaftlichen Fortschritt über Marktversagen bis zu einem offenbar bis in die Erziehung reichenden Optimierungsbedürfnis. Und der Staat schränkt gerne ein. Vorgaben wie die Bildschirmarbeits- oder die Betriebssicherheitsverordnung lassen einen besonderen staatlichen Regulierungsdrang am Arbeitsplatz erkennen – mit Erfolg, wohlbemerkt: Zählte die zuständige Bundesanstalt im Jahr 1970 noch 53 Unfälle je Million Arbeitsstunden, waren es zur Jahrtausendwende weniger als halb so viele. Natürlich auch dank der vermehrten Büroarbeit.

Eine Gesellschaft, die mehr weiß, so scheint es, versucht Risiken weiter zu eliminieren – und findet im Sozialstaat einen wohlmeinenden Kümmerer. Ob das nur Vorteile hat, darf bezweifelt werden. Denn wo Sicherheit regiert, kann Neues oft nicht gut gedeihen. Der Fortschritt braucht Wagnis und Freiheit.

Wachsender Wohlstand wird dabei zum Problem. Folgt man den Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky in ihrer „Prospect Theory“, scheuen Menschen das Risiko. Stellt man sie vor die Wahl, entscheiden sie sich eher für sichere, aber geringere Gewinne als für unsicherere Zahlungen – auch wenn diese viel höher sein können. Und mit wachsendem Wohlstand werden die Gewinne relativ gesehen geringer, die potentiellen Verluste dagegen größer.

Selbst im Umgang mit körperlicher Gewalt kann man aus Sicht des Soziologen Dirk Baecker zwei Trends beobachten: Zum einen seien wir in den vergangenen zwei- bis dreihundert Jahren sehr viel schmerzempfindlicher geworden. „Und zum anderen wächst paradoxerweise die Angst davor, Opfer einer Gewalttat zu werden, während die tatsächliche Wahrscheinlichkeit, Opfer zu werden, abnimmt“, sagt Baecker. Diese Paradoxie kennt man aus der Migrationsforschung: So sind Vorbehalte oft dort am größten, wo kaum Einwanderer leben.

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