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#Chemnitz hat keinen Fernbahn-Anschluss: Die abgehängte Stadt

Chemnitz hat keinen Fernbahn-Anschluss: Die abgehängte Stadt

Wenn Sebastian Drechsler dienstlich oder privat verreisen will, nimmt er fast immer das Auto. „Mir bleibt kaum etwas anderes übrig“, sagt der 30 Jahre alte Mann, der in Chemnitz als Gebietsleiter Ostdeutschland für ein mittelständisches Unternehmen arbeitet. „Wir sind hier abgehängt. Das sagt man immer so, aber hier ist es Realität: Wir sind abgeschnitten.“ Und zwar abgeschnitten vom Fernverkehr der Deutschen Bahn (DB).

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Wüsste man es nicht besser, könnte man an einem normalen Wochentag glatt auf die Idee kommen, der Zugbetrieb auf dem Chemnitzer Hauptbahnhof sei komplett eingestellt. Ein paar Menschen verteilen sich auf den Bahnsteigen, nur am Ausgang zur Stadt, wo die Regionalzüge aus dem Umland eintreffen und auch Straßenbahnen fahren, herrscht bisweilen Gedränge.

„Man fühlt sich ungerecht behandelt“

Nur noch wenige Bahnlinien führen von und nach Chemnitz, sie enden innerhalb Sachsens und in zwei Fällen kurz hinter der Landesgrenze in Elsterwerda im südlichen Brandenburg und in Hof im Norden Bayerns. „Darüber herrscht hier überall nur noch ganz großes Unverständnis“, sagt Drechsler. „Man fühlt sich ungerecht behandelt.“

Nach Berlin, Leipzig und Dresden ist Chemnitz mit seinen 250.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Ostdeutschlands. Zusammen mit dem nahe gelegenen Zwickau und dem dicht besiedelten Erzgebirge ist der Ballungsraum mit 1,2 Millionen Menschen die einwohnerstärkste Region Deutschlands ohne Eisenbahn-Fernverkehr. Reisen in das gut 200 Kilometer entfernte Berlin dauern zwischen drei und dreieinhalb Stunden, nach München sind es knapp fünf und nach Frankfurt am Main reichlich vier Stunden, jeweils inklusive ein- bis zweimal Umsteigen.


Bild: Levinger

„Für mich ist das ein unhaltbarer Zustand“, sagt auch der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD). „Die fehlende Bahnanbindung ist ein Nachteil für die Industrie, für den Tourismus, für die Berufspendler, für alle Chemnitzerinnen und Chemnitzer.“ In den vergangenen Jahren habe es häufig Gespräche auch mit der Bahn gegeben. „Aber letztlich sind wir als Stadt kein Auftraggeber“, sagt Schulze. „Wir können lediglich anmahnen.“

Das tut die Stadt nunmehr seit fünfzehn Jahren, als hier letztmalig ein überregionaler Zug hielt; es war ein Interregio nach Berlin. Seitdem steht die Stadt fernbahntechnisch auf dem Abstellgleis. Die Bahn, obwohl ein Staatsunternehmen, betreibt aus eigenem Antrieb heraus vorzugsweise gewinnträchtige Strecken. Mit der Abwanderung vieler Menschen aus Ostdeutschland nach 1989 aber verlor auch Chemnitz fast ein Viertel seiner Einwohner; die Stadt wurde unattraktiv in den Augen der Bahn-Bosse und verfügte über keine Lobby.

Einst zählte Chemnitz mehr Bahnverkehr als Leipzig

Den Chemnitzern blieb nur die Erinnerung an große Eisenbahnzeiten. Noch in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zählte die Stadt als eine der größten Industriemetropolen des Deutschen Reichs mehr Bahnverkehr als Leipzig; zu DDR-Zeiten fuhren hier täglich allein 300 Personenzüge aus und ein. Ohne umzusteigen gelangte man mit der Bahn von Chemnitz etwa nach Berlin und Rostock, unmittelbar nach dem Mauerfall auch nach München, Karlsruhe und Köln.

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