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#Wie viele Autobahnen braucht das Land?

Wie viele Autobahnen braucht das Land?

Vor ein paar Monaten noch war die Autobahn 49 in Nordhessen eine unfertige Fernverkehrsstraße in der Provinz. Ein Infrastrukturprojekt aus den Sechzigern, das auf halber Strecke steckenblieb. Jetzt darf die A49, die Kassel und Gießen verbinden soll, weitergebaut werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht im Juli entschieden, doch dagegen formiert sich Protest. Der Widerstand der Umwelt- und Klimaschützer hat nicht nur das A49-Projekt bundesweit bekannt gemacht, sondern auch die Bundespolitik aufgerüttelt. Zumindest für einen Moment. Die Autobahn in Hessen ist zum Symbol einer fehlgeleiteten Verkehrspolitik geworden, zu einer Straße des Widerstands gegen die zunehmende Asphaltierung des Landes. Ins Visier der Aktivisten ist ein Stück Wald geraten, das im Zuge des Weiterbaus gerodet werden soll: der Dannenröder Forst, von den Aktivisten liebevoll Danni genannt. Das Bauprojekt zementiert aus ihrer Sicht den Irrsinn der deutschen Verkehrspolitik in Zeiten der Klimakrise. Danni muss bleiben, fordern sie.

Andreas Frey

Andreas Frey

Freier Autor in der Wissenschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wald gegen Auto, Baumhäuser gegen Bagger – die Debatte könnte nicht bildgewaltiger sein, und ihr neues Auflodern kommt nicht überraschend. Klimaschutz wird in diesem aufwühlenden Jahr oft über die Verkehrspolitik verhandelt, so wird über neue Radwege in den Städten gestritten, über Autobahnen, Schnellstraßen und Ortsumfahrungen. Zentral ist allerdings eine simple Frage, die im Wachstumseifer der Bundesrepublik stets vernachlässigt wurde: Wie viele Autobahnen braucht das Land? Die Grünen haben die Frage nun klar für sich beantwortet. Keine mehr, sagt die Parteivorsitzende Annalena Baerbock. Sie fordert einen sofortigen Baustopp der A49. In einem gemeinsamen Vorstoß sprechen sich Partei- und Fraktionsführung gegen neue Autobahnen und Bundesstraßen aus, verlangen eine neue Verkehrspolitik.

„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“

Der Vorstoß kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Partei stärker unter Druck gerät. Von innen, weil die Hessen-Grünen dem Bauprojekt zugestimmt hatten und auch Winfried Kretschmann, der oberste Grüne in Baden-Württemberg, dem Auto im Zweifel nähersteht als seinen Parteigenossen in Berlin. Und von außen, weil sich mit der „Klimaliste“ gerade eine neue Partei im Ländle gegründet hat, die den Grünen bei der Landtagswahl 2021 Wähler abspenstig machen könnte. Das ficht den waidwunden Verkehrsminister in Berlin nicht an. „Wenn ich auf dem Land lebe, brauche ich die Autobahn. Wenn ich eine starke Wirtschaft will, brauche ich die Autobahn“, twitterte Andreas Scheuer (CSU). Ganz Deutschland brauche Straßen.

Fahrrad-Demonstration auf der gesperrten A49 Anfang Oktober.


Fahrrad-Demonstration auf der gesperrten A49 Anfang Oktober.
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Bild: dpa

Das kann die Verkehrsforschung nicht unbedingt bestätigen, sie kommt in diesem Themenkomplex häufig zu anderen Erkenntnissen. Empirisch finden sich einige gewichtige Gründe, die gegen den Neu- und Ausbau von Fernstraßen sprechen. Am bekanntesten ist das Paradoxon des induzierten Verkehrs, das der britische Straßenbauingenieur John Joseph Leeming in den Sechzigern formulierte. Ihm war aufgefallen, dass neue Straßen mehr Autos anzogen. Das Angebot ließ also die Nachfrage steigen. „Induced demand“ nannte Leeming seine Theorie, ohne sie stichhaltig belegen zu können. Das gelang vor elf Jahren den amerikanischen Ökonomen Gilles Duranton und Matthew Turner, als sie eine Studie über Fernstraßen in den Vereinigten Staaten vorlegten. Darin konnten die beiden zeigen, dass mehr Straßen tatsächlich zu mehr Verkehr führten; andere Faktoren, die das Verkehrsaufkommen schüren könnten, schlossen sie aus. Menschen ändern ihr Verhalten, wenn eine breitere oder neue Straße fertig ist: Sie fahren mehr Auto. Und dieses Resümee der Ökonomen lässt sich auch mit den Worten des im Sommer verstorbenen SPD-Politikers Hans-Jochen Vogel fassen, der 1972 formulierte: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Und Stau.

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