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#„Wir wissen nicht, wo die russischen Panzer anhalten“

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„Wir wissen nicht, wo die russischen Panzer anhalten“

Jonas Dagys, Litauen

Es war der 11. Januar 1991 in Vilnius. Ich war in der Schule und, soweit ich mich erinnern kann, lief der Unterricht wie immer. Als er vorbei war, trat ich aus dem Klassenzimmer in den Flur und sah meinen Vater in seinem Mantel am Fenster stehen. Ich war dreizehn Jahre alt, wir wohnten in Fußnähe meiner Schule, und ich kannte meinen Weg sehr gut. Es muss etwas Ungewöhnliches passiert sein, dass ich von meinem Vater nach Hause begleitet werden musste. Ich fand bald heraus, dass mein Vater beschloss, sich um mich zu kümmern, weil sowjetische Militäreinheiten durch die Stadt zogen, das Pressehaus und andere strategische Objekte eingenommen hatten und Munition gegen Zivilisten einsetzten. Der Höhepunkt war das gut dokumentierte Blutvergießen vom 13. Januar im Fernsehturm und im Fernsehzentrum von Vilnius.

Natürlich sind diese Tage auch mit den Ereignissen von 1940 verbunden, als die drei unabhängigen baltischen Staaten von der Sowjetunion annektiert wurden. Es ist kaum möglich, eine Familie in Litauen zu finden, in deren Geschichte dieses Regime keine traumatischen Spuren hinterlassen hat. Angesichts all dieser Ebenen des kollektiven Gedächtnisses versteht es sich von selbst, dass die Menschen in Litauen über die gespenstische Möglichkeit russischer Militäraktionen in der Ostukraine zutiefst beunruhigt sind. Trotzdem wird die Situation noch nicht als direkte Bedrohung durch eine militärische Intervention in unser Staatsgebiet wahrgenommen.

Unsere Beziehungen zu Russland bleiben angespannt, aber es hat den Anschein, diese Spannungen würden derzeit vor allem als wirtschaftliche und diplomatische begriffen und nicht als solche, die ausgehen von bevorstehenden militärischen Aktionen. Um ein diplomatisches Klischee zu verwenden: Wir sind vorsichtig optimistisch. Die Lage der internationalen Diplomatie und die Anwesenheit der NATO-Verbündeten im Lande sind sehr wichtige und beruhigende Faktoren.

Jonas Dagys


Jonas Dagys
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Bild: Dovilė Dagienė

Vielleicht haben zwei Jahre Covid-Pandemie auch unsere Toleranzschwelle für Ängste verändert. Vielleicht liegt der Fokus auf der allgemeinen Erwartung, dass sich das Leben nach der Pandemie wieder normalisiert. Vielleicht liegt es daran, dass die sozialen Interaktionen noch immer recht begrenzt sind, der Small Talk und die anderen Gelegenheiten, persönliche Sorgen zu teilen und so zu verbreiten.

Die Situation ist weniger angespannt als vor etwa einem halben Jahrzehnt, als die Streitkräfte der Russischen Föderation und Weißrusslands die gemeinsame Militärübung „Sapad 2017“ planten. Weil das Manöver im Westen Weißrusslands und in der Exklave Kaliningrad durchgeführt wurde, wurde es nicht zu Unrecht als klare Bedrohung für Litauen und Polen angesehen. Es war damals nicht ungewöhnlich, dass man beiläufig in eine Diskussion verwickelt wurde, in der es nicht nur um Geopolitik ging, sondern auch darum, dass der Tank des eigenen Autos ständig voll sein sollte, nur für den Fall der Fälle; oder um die Bargeldreserven der Familie, falls die militärische Intervention das Bankensystem lahmlegen und die Geldkarten unbrauchbar werden sollten.

Die Erinnerung an die sowjetische Militärpräsenz ist bei mehreren Generationen von Litauern und im Baltikum im Allgemeinen noch sehr lebendig. Ein Bekannter, der an der estnischen Ostseeküste lebt, beobachtete, dass in diesem Jahr die privaten Segelboote bis weit in die kalte Jahreszeit hinein nicht aus dem Wasser gehoben wurden. Wieder nur für den Fall der Fälle.

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