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#Wo, bitte, geht’s ins Idyll?

„Wo, bitte, geht’s ins Idyll?“

Dass ich entlang der Emscher wandern wolle, sagte ich einem Freund aus dem Ruhrgebiet. „Watt, anne Köttelbecke?!“ war die spöttische Reaktion. Obwohl das Entlanglaufen an Flüssen anderorts längst als Premiumpilgern gilt, ob an der Mosel, dem Mittelrhein oder der Lahn, alles be­liebte Reviere, und selbst an der Ruhr, an der ein ein solcher Pfad ausgeschildert ist, scheint die Emscher von diesem Prädikat unbedingt ausgenommen.

Ilias Abawi hat sie zum ersten Mal als Kind gesehen. Von Essen aus fuhr die Familie nach Norden, Richtung Bottrop. Über zwei Brücken sind sie gefahren, erst über ein breites Wasser, in dem Schleppkähne mächtig Wellen machten, dann direkt dahinter über einen schnurgeraden Wasserlauf, mickrige wenige Meter breit, die Böschungen komplett hochbetoniert. Das Wasser glänzte ölig-dunkel – und es stank zum Übelwerden. Sein Bruder er­klärte dem jungen Ilias die Welt des Wassers: „Das, wo die Schiffe schwimmen und was aussieht wie ein Fluss, ist in Wirklichkeit ein Kanal. Und das schmale Wasser hier – das ist ein richtiger Fluss.“

Der toteste Fluss Europas

Die Schwatte, wie man links und rechts der Ufer auch sagte, wegen der für Blicke undurchdringlichen Oberfläche. Oder eben Köttelbecke. Becke ist niederrheinisch für Bach, und die Köttel – nun ja, die treiben halt auf dem Wasser, wenn man sie von der Toilette direkt in die Emscher spült.Nicht appetitlich, aber harmlos gegenüber dem, was sich sonst noch so in der Emscher ansammelte. Blei, Cadmium, Zink, Quecksilber, Kohlestaub, dazu das ganze Arsenal der chemischen Verbindungen. Alles, was die Zechen, Kokereien, Hüttenwerke und sonstige Industriebetriebe früher an Abfall hatten, leiteten sie in die Emscher. Ihre dreiundachtzig Kilometer galten als der toteste Fluss Europas. Wobei der Superlativ zwar Un­sinn war, aber irgendwie traf die sprach­liche Übertreibung eben doch die Wirklichkeit im Norden des Ruhrgebiets. Die Emscher, das war die Schmuddelecke des Potts.

Die Grenzen des Idylls: An der Emscher muss man sich die Natur mit allerhand Beton teilen.


Die Grenzen des Idylls: An der Emscher muss man sich die Natur mit allerhand Beton teilen.
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Bild: Wolfgang Albers

Und niemand dachte daran, an diesem Fluss entlangzuwandern. Bis Michael Holzach das im Jahr 1980 machte. In seiner Reportage „Deutschland um­sonst“widmete er sich dem Fluss in seiner Länge – und schrieb: „Im Stadtteil Barop riecht es plötzlich nach faulen Eiern, in Dorstfeld liegen ätzende Schwaden über der Wasseroberfläche, in Holthausen macht sich eine schwere Süße breit. Kein Fluss der Welt ist so abwechslungsreich in seiner Abscheulichkeit.“ Es war deshalb kein einfacher Job, den Ilias Abawi angenommen hat. Er ist der Kommunikator der Köttelbecke – Pressesprecher der Emschergenossenschaft, die seit hundertzweiundzwanzig Jahren den Fluss sozusagen besitzt. Und die Emscher zu einem gigantischen oberirdischen Ab­wassersystem gemacht hat – das größte offene auf der Welt.

Die Köttelbecke ist endgültig Ge­schichte

Es gibt schönere Aufgaben für einen Pressesprecher, als ebendies zu vermarkten. Aber seit diesem Jahr kann er stolz vor die Öffentlichkeit treten: Ein dreißig Jahre währendes und fünfeinhalb Milliarden Euro teures Mammutprojekt hat die Emscher komplett abwasserfrei gemacht. „Die Köttelbecke ist endgültig Ge­schichte!“ triumphieren blaue Stelen am Fluss. Sie signalisieren den Emscher-Weg, eine Hunderteins-Kilometer-Route von der Quelle bis zur Mündung. Die Emschergenossenschaft hat sie entworfen: „Lebens- und Aufenthaltsqualität sind erheblich aufgewertet worden. Das gilt es zu erleben und erfahren.“

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