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#Wo bleibt Europa?

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Wo bleibt Europa?

Eine sehr besorgt klingende Frage stellte am Ende eine junge Frau aus dem Publikum: Hat Europa denn gar keine Zukunft im internationalen Wettbewerb? Zuvor waren die Protagonisten der von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der F.A.Z. am Montagabend in Erfurt veranstalteten Debatte zu eher pessimistischen Einschätzungen gekommen. Im großen Wettlauf der Weltmächte drohe Europa zum Spielball zu werden statt Spielmacher zu sein, zumal sich die Machtverhältnisse auf der Welt gerade massiv veränderten.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Thomas de Maizière, der frühere Verteidigungs- und Innenminister, berichtete unter anderem, wie er bei einem Besuch seines türkischen Kollegen eine Landkarte an der Wand entdeckt habe, in der Ankara das Zentrum der Welt und Europa allenfalls in Randlage dargestellt gewesen seien. „Der eurozentrierte Blick nimmt ab“, sagte de Maizière. Begriffe wie Naher Osten und Ferner Osten würden in anderen Regionen der Welt heute ganz anders interpretiert. Von Kalifornien aus gesehen etwa sei Europa der Ferne Osten – und China viel näher.

Gerade in Asien, wo heute fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt, werde Europa „definitiv nicht als sicherheitspolitischer Akteur wahrgenommen“, sagte Beatrice Gorawantschy, bis vor kurzem Leiterin des KAS-Regionalprogramms Australien und Pazifik. „Asien erwartet, dass Europa geschlossen auftritt und mit einer Stimme spricht.“ Doch genau daran fehle es der Europäischen Union, diagnostizierte Stormy-Annika Mildner, Direktorin des Aspen Instituts in Deutschland.

Nicht nur in der Sicherheitspolitik, auch in anderen Bereichen träten die 27 EU-Mitglieder eher kakophonisch auf. Weder gebe es einen vollendeten Binnenmarkt, noch ein gemeinsames Agieren in der Wirtschafts- und Handelspolitik. Nicht auszumachen sei zudem, ob Deutschland oder Frankreich „das EU-Team“ anführten. Zudem sei längst klar, dass die EU globale Herausforderungen nicht allein stemmen könne, sondern Partner brauche. Doch noch immer seien Handelsabkommen etwa mit Indien, Australien oder Kanada entweder nicht verhandelt oder ratifiziert.

Die Diskutanten der „F.A.Z.-KAS-Debatte 2021“ im Erfurter Kaisersaal


Die Diskutanten der „F.A.Z.-KAS-Debatte 2021“ im Erfurter Kaisersaal
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Bild: Daniel Pilar

Absage an gemeinsame europäische Armee

Angesichts der sich rasant verändernden Kräfteverhältnisse in der Welt müsse es jetzt darum gehen, „den politischen Westen zusammenzuhalten“, sagte de Maizière. Dazu gehöre, sich nicht einerseits über eine zunehmende Unberechenbarkeit der Vereinigten Staaten zu beklagen, aber andererseits die eigene mangelnde Geschlossenheit auszublenden. Gerade auch in der europäischen Sicherheitspolitik gebe es „eine krasse Kluft zwischen Wort und Tat“. Er plädiere sehr dafür, die europäische Verantwortung innerhalb der NATO zu stärken, doch leider funktionierten noch nicht mal naheliegende Dinge wie etwa ein regelmäßiges Treffen der europäischen Verteidigungsminister.

Gleichwohl erteilte de Maizière Forderungen nach einer gemeinsamen europäischen Armee eine Absage. Zum einen habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu den Lissabon-Verträgen dieses Ansinnen bereits als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, zum anderen halte er mehr davon, europäische Streitkräfte in die NATO zu integrieren.

Beim Thema des geplatzten U-Boot-Deals zwischen Frankreich und Australien plädierten alle Beteiligten dafür, die Sache nicht überzubewerten. Die australische Entscheidung sei nicht gegen Frankreich oder die EU gerichtet, sondern ein rein pragmatisches Vorgehen, um sich wirksam vor China zu schützen, sagte Gorowantschy. Sie bemängelte allerdings, dass es Europa „schon wieder“ verpasst habe, Mitglied in einer der zahlreichen demokratischen asiatischen Verteidigungsorganisationen zu sein.

De Maizière allerdings riet auch hier, den Ball flach zu halten und sich nicht zu übernehmen. Aus gemeinsamen Militärmanövern etwa mit Staaten im asiatisch-pazifischen Raum sollte sich die EU besser heraushalten. Und ein eskalierender Konflikt etwa zwischen China und Taiwan löse schon gar nicht den Bündnisfall der NATO aus. Mit Blick auf die voraussichtlich neue Bundesregierung erklärte der frühere Minister, dass er „nicht zu pessimistisch“ sei, was die von den möglichen Koalitionspartnern skizzierten Grundlinien der deutschen Außenpolitik angehe. Nicht zuletzt war er es auch, der am Schluss doch noch so etwas wie Optimismus verbreitete: „Die europäische Außen- und Sicherheitspolitik bestand bisher eigentlich immer nur aus Krisen“, sagte de Maizière. „Aber letztlich hat es gut funktioniert.“

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