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#„Wohlmeinender älterer Herr mit schlechtem Gedächtnis“

Die Geheimakten-Affäre hat kein juristisches Nachspiel für Joe Biden. Der Bericht beschädigt den Präsidenten politisch aber schwer.

So richtig erleichtert wirkte Joe Biden nicht, als er am Donnerstag in Virginia vor die Abgeordneten der demokratischen Fraktion im Repräsentantenhaus trat, die sich in Leesburg zu einer Klausursitzung versammelt hatten. Der Sonderermittler habe in der Untersuchung in Sachen Geheimdokumente entschieden, keine Anklage zu erheben, sagte der amerikanische Präsident. Der Fall sei nun abgeschlossen. Wichtig war es Biden zudem, darauf hinzuweisen, dass der Ermittler die Unterschiede zwischen seinem Fall und dem seines Vorgängers Donald Trump herausgearbeitet habe. Er habe schließlich stets mit der Justiz kooperiert.

Eigentlich hätte es ein guter Tag für den Präsidenten sein können. In der Affäre um den Fund von Verschlusssachen in Privaträumen Bidens aus der Zeit, bevor er Präsident war, hatte Sonderermittler Robert Hur gegen eine Anklage entschieden. Der Bericht, den Hur – ein von Justizminister Merrick Garland eingesetzte Jurist, der 2018 von Donald Trump als Bezirksstaatsanwalt nominiert worden war  – am Donnerstag veröffentlichte, könnte den 81 Jahre alten Präsidenten neun Monate vor der Präsidentenwahl aber schwer beschädigen.

Erinnerung „signifikant eingeschränkt“

Hur wirft Biden vor, die Akten „absichtlich aufbewahrt und offengelegt“ zu haben. Dennoch habe das Ermittlungsergebnis keine weiteren Folgen. Hur hob hervor, dass er nicht etwa zu diesem Ergebnis gekommen sei, weil es im Justizministerium die Praxis gebe, Präsidenten während ihrer Amtszeit nicht anzuklagen. Seine Entscheidung dagegen, Anklage zu erheben, begründete er vielmehr damit, dass Bidens Erinnerung während der Befragung „signifikant eingeschränkt“ gewesen sei. Auf der Grundlage der Befragung des Präsidenten komme er zu dem Ergebnis, dass es schwierig gewesen wäre, Geschworene davon zu überzeugen, ihn zu verurteilen. Sodann beschreibt er Biden als „wohlmeinenden älteren Herrn mit einem schlechten Gedächtnis“. Er habe in der Befragung nur über eine „verschwommene“ Erinnerung verfügt und etwa nachgefragt, wann genau er Vizepräsident gewesen sei. Ebenfalls vergessen habe er, wann genau sein Sohn Beau gestorben sei. Weiter hieß es: Biden habe Geheiminformationen mit seinem Ghostwriter für ein 2017 erschienenes Buch geteilt.

Ende 2022 waren Verschlusssachen aus Bidens Zeit als Barack Obamas Vizepräsident entdeckt worden, unter anderem in privaten Büroräumen in der Hauptstadt Washington sowie im Haus Bidens in Wilmington im Bundesstaat Delaware. Da zu jener Zeit auch gegen Donald Trump ermittelt wurde, der als scheidender Präsident in viel größerem Ausmaß Geheimdokumente mit in sein Domizil in Mar-a-Lago in Florida genommen hatte, entschied Garland seinerzeit, einen Sonderermittler einzusetzen – analog zum Vorgehen im Fall Trump.

Vor seinem Auftritt in Virginia veröffentlichte Biden eine Stellungnahme: „Dies war eine umfassende Untersuchung, die mehr als 40 Jahre zurückreicht, sogar in die 1970er Jahre, als ich ein junger Senator war“, schrieb er. Offenbar zur Erklärung seines fahrigen Auftretens in der Befragung durch den Sonderermittler fügte er hinzu: Seine Kooperationsbereitschaft mit der Justiz sei so groß gewesen, dass er sich am 8. und 9. Oktober vergangenen Jahres fünf Stunden habe befragen lassen, obwohl er zu dieser Zeit eine internationale Krise habe managen müssen. Gemeint war der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober.

Bidens Rechtsberater Richard Sauber wurde deutlicher: Man stimme „einigen ungenauen und unangemessenen Kommentaren im Bericht des Sonderermittlers nicht zu“, akzeptiere aber, dass die Entscheidung des Sonderermittlers auf „Fakten und Beweisen“ basiere. Verbündete Bidens in Washington im Kongress wiesen den Tenor des Berichts zurück: Nicht nur sei Bidens Verstand scharf. Auch seien die Erinnerungslücken nicht der Grund, warum keine Anklage erhoben werde. Hur behaupte das nur, weil er Republikaner sei, sagte etwa der Abgeordnete Dan Goldman.

Trump, der wegen der Entwendung von Verschlusssachen, der Weigerung, diese herauszugeben, und wegen Justizbehinderung in Miami angeklagt wurde, warf der Justiz vor, mit zweierlei Maß zu messen und selektiv vorzugehen. In einer schriftlichen Stellungnahme, die sein Wahlkampfteam verbreitete, behauptete der Republikaner, Bidens Fall sei schwerwiegender und „ungeheuerlich kriminell“.

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