Wissenschaft

#Wuchsen einst Hochleistungs-Wälder in der Arktis?

Mildes Klima, viel CO₂ und sommerliches Dauerlicht: In den nördlichen Polargebieten ermöglichten günstige Umweltbedingungen vor rund 50 Millionen Jahren den dortigen Laubwäldern eine überraschend hohe Produktivität. Dies geht aus einer Modellierung der Fotosynthese-Leistung der Bäume im Bereich von zwei polnahen Standorten hervor. Möglicherweise übertraf die Produktivität sogar die der heutigen Wälder unserer Breiten. Den Forschern zufolge haben die Ergebnisse auch eine aktuelle Bedeutung: Sie könnten Hinweise dazu liefern, wie sich das Pflanzenwachstum im hohen Norden im Zuge des Klimawandels entwickeln wird.

Wo sich heute Kältewüsten oder karge Tundra-Landschaften erstrecken, wucherte es vor rund 50 Millionen Jahren: Wie Fossilienfunde belegen, gediehen im Zeitalter des Eozäns bis hoch in die nördlichen Polargebiete üppige Laubwälder. Dies war auf das starke Treibhausklima dieser Ära zurückzuführen: Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre lag fast doppelt so hoch wie heute und bis in die polaren Bereiche hinein ermöglichten die milden Bedingungen das Wachstum von Bäumen. Doch in einem Aspekt unterschieden sich die nördlichen Eozän-Wälder von heutigen Pendants mit ähnlichen Temperaturverhältnissen: In den hohen Breitengraden herrscht im Winter Dauerdunkel, während die Sonne im Sommer extrem lange scheint und zeitweise sogar überhaupt nicht untergeht. Wälder, die auf der Grundlage einer solchen Kombination aus mildem Klima, hohen CO₂-Werten und Extrembeleuchtung wachsen, gibt es heute nicht mehr.

Exotische Nord-Wälder im Visier

Genau dies weckte das Interesse von Forschern der Universität Tübingen und des Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart. Sie fragten sich, zu welcher pflanzlichen Produktivität die Bedingungen in den nördlichen Eozän-Wäldern geführt haben könnten. Neben der Verfügbarkeit von Nährstoffen aus dem Boden basiert sie auf der Fotosynthese-Leistung: Mithilfe von Lichtenergie setzen Pflanzen Wasser und Kohlendioxid in organische Stoffe um, aus denen sie ihre Biomasse aufbauen. Um diesen Prozess bei den nördlichen Eozän-Wäldern zu untersuchen, nutzen die Forscher Daten von zwei polnahen Fundstätten von Laubbaumfossilien aus dem Eozän: Sie stammten von der Ellesmere-Insel in Kanada und der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen.

„Zum Vergleich zogen wir den nordwestlichen Odenwald bei Darmstadt heran. Der liegt zwar nicht auf einem hohen, sondern mittleren Breitengrad, doch in dem dortigen Laubwald herrschen heute ähnliche klimatische Bedingungen wie einst im hohen Norden im Eozän“, sagt Erst-Autor Wilfried Konrad von der Universität Tübingen. In die Modellberechnungen zur Produktivität der einstigen arktischen Wälder bezogen die Forscher Informationen zu den damaligen atmosphärischen CO₂-Werten und den Klimaverhältnissen an den Standorten ein.

Ein Lebkuchenbaum (Cercidiphyllum japonicum) im Kloster Bebenhausen bei Tübingen. © Anita Roth-Nebelsick und James Nebelsick

Als pflanzliches Modell diente ihnen der sogenannte Lebkuchenbaum (Cercidiphyllum japonicum), denn seine Merkmale ähneln denen der Bäume, die einst die arktischen Eozän-Wälder prägten.

Überraschend hohe Produktivität

Wie das Team berichtet, zeichnete sich in den Ergebnissen der Modellberechnungen ein unerwartet positiver Einfluss der einstigen Bedingungen auf die Fotosynthese-Leistung ab: „Insgesamt kamen wir auf eine überraschend hohe Produktivität der Wälder“, sagt Konrad. „Legt man die aktuellen pflanzenphysiologischen Daten zum Fotosynthese-Apparat zugrunde, so dürfte die Fotosynthese-Leistung um mindestens 30 bis 60 Prozent höher gelegen haben als an einem heutigen Standort gemäßigter mittlerer Breiten. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Klimabedingungen im Eozän die Fotosynthese-Leistung der Bäume und dadurch eventuell auch die Produktivität an Biomasse verstärkten“, sagt der Wissenschaftler.

Die Produktivität von arktischen Eozän-Wäldern könnte sogar im Bereich moderner tropischer Wälder gelegen haben, schreiben Konrad und seine Kollegen. Wie sie betonen, bleibt allerdings unklar, inwieweit Nährstoffverfügbarkeiten und Bodeneigenschaften das Pflanzenwachstum in den nördlichen Ökosystemen beeinflusst haben.

Abschließend richtet Konrad den Blick auf die derzeit ablaufenden Veränderungen in der Arktis im Zuge des Klimawandels: „Auch die aktuell steigenden Kohlendioxidwerte könnten eine Steigerung der Fotosynthese-Leistung nördlicher Wälder mit sich bringen. Da aber auch andere Faktoren einen großen Einfluss auf die pflanzliche Produktivität haben, kann man die Aussagen nicht verallgemeinern“, betont der Forscher. „Dennoch könnten Erkenntnisse zum Paläoklima aber zur Verbesserung der Modelle und ihrer Vorhersagen beitragen“, so Konrad.

Quelle: Universität Tübingen, Fachartikel: Paleoceanography and Paleoclimatology, doi: 10.1029/2023PA004685

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