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#Zerreißprobe für Kalifornien

Zerreißprobe für Kalifornien

Als kürzlich Felsbrocken in der Größe von Kühlschränken auf die amerikanische Bundesstraße 395 im sehr dünn besiedelten Osten Kaliforniens fielen, waren nicht nur die Autofahrer überrascht, weil sie plötzlich die Brocken im Slalomkurs umfahren mussten. Auch viele Geologen wunderten sich zunächst über die Ursache dieses Felssturzes. Der Auslöser war schnell gefunden: Wieder einmal hatte sich ein Erdbeben der Magnitude 6 auf der Ostseite der Sierra Nevada ereignet, jener gewaltigen Gebirgskette, die Kalifornien auf einer Länge von mehr als 600 Kilometern vom Rest der Vereinigten Staaten trennt. Das Beben im Antelope Valley, südlich vom Lake Tahoe an der Grenze zum Bundesstaat Nevada, ereignete sich knapp zwei Jahre nach einer schweren Erdbebenserie in der Nähe der ebenfalls östlich der ge­waltigen Gebirgskette gelegenen Wüstenstadt Ridgecrest. Tatsächlich haben in den vergangenen drei Jahrzehnten in diesem Landstrich mehr schwere Erdbeben stattgefunden als entlang der berühmten San- Andreas-Verwerfung, der „klassischen“ Erd­­bebenzone in Kalifornien.

Die Landschaft des bevölkerungsreichsten amerikanischen Bundesstaates ist hauptsächlich von der seit mehr als 30 Millionen Jahren andauernden tektonischen Kollision zweier riesiger Platten der Erdoberfläche geprägt, nämlich der ganz lang­sam nach Westen driftenden Nordamerikanischen Platte und der wesentlich schneller in nordwestlicher Richtung schiebenden Pazifischen Platte. Der Pazifik bewegt sich relativ zum nordamerikanischen Kontinent im langjährigen Durchschnitt dabei um fünf Zentimeter pro Jahr.

Die 1200 Kilometer lange San-Andreas-Verwerfung gilt gewöhnlich als Grenzlinie zwischen der Nordamerikanischen und der Pa­zifischen Platte. Sie erstreckt sich vom Salton Sea, einem salzreichen Binnensee im äußersten Süden Kaliforniens, bis zum Kap Mendocino im Norden des Bundesstaates. Entlang dieser weitgehend an der Küste ver­laufenden Verwerfung schrammt die Pazifische Platte horizontal an ihrem nordamerikanischen Gegenstück vorbei. Als Fol­ge kommt es dort immer wieder zu Erdbeben.

Felsbrocken blockieren die Route 395 in der Nähe der kalifornischen Staatsgrenze zu  Nevada nach einem Erdbeben an der Walker Lane Anfang Juli.



Bilderstrecke



Erdbeben in Kalifornien
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Erdbebenforschung an der Walker Lane

Obwohl die San-Andreas-Verwerfung auf den meisten Karten als eine durchgezogene Linie dargestellt wird, handelt es sich um eine oft mehrere Dutzend Kilometer breite Zone, in der mehrere Erdbebenverwerfungen parallel zueinander ver­laufen. Im Großraum San Francisco beispielsweise gibt es neben der San-Andreas-Verwerfung noch andere seismisch aktive tektonische Grenzlinien wie die Hayward- und die Calaveras-Verwerfung.

Ganz Kalifornien unter tektonischer Spannung

Entlang der Flanken jeder dieser Linien spiegelt die Relativbewegung der gegenüberliegenden Gesteinsschollen genau die Drift zwischen der Pazifischen und der Nordamerikanischen Platte wider. Die westliche Flanke bewegt sich jeweils nach Nordwesten, die östliche Flanke nach Südosten. In detaillierten geodätischen Messungen konnten Geowissenschaftler sogar messen, wie schnell sich die Schollen an den einzelnen Verwerfungen verschieben. Das Ergebnis war überraschend: Während sich der Pazifik jährlich um etwa fünf Zentimeter nach Nordwesten verschiebt, be­trägt die Summe der Verschiebungen entlang der parallelen Verwerfungen pro Jahr aber nur etwa vier Zentimeter. Was passiert mit dem Rest der Plattenbewegung von einem Zentimeter pro Jahr?

Diese Drift findet östlich der Sierra Ne­vada statt. In geodätischen Messungen, die zwischen verschiedenen Punkten in Nevada sowie noch weiter östlich auf dem nordamerikanischen „Festland“ und entlang der Gebirgskette durchgeführt wurden, zeigte sich, dass sich das Gebirge pro Jahr um fast zehn Millimeter nach Nordwesten verschiebt – also genau um den fehlenden Zentimeter. Eine Forschergruppe um Ian Pierce von der University of Nevada in Reno hat jetzt in der von der Amerikanischen Geophysikalischen Union heraus­gegebenen Zeitschrift Tectonics diese Verschiebungen im Detail analysiert.

Die Verwerfungen führen einerseits zu den vielen signifikanten Erdbeben im Osten Kaliforniens. Diese finden entlang einer Zone statt, die von der Mojave-Wüs­te im Süden bis auf die geographische Breite des Lake Tahoe und der Stadt Reno in Nevada reicht. In den vergangenen dreißig Jahren wurden dort eine Reihe von Erdbeben mit Magnituden von mehr als 7 sowie Dutzende schwächerer Erdstöße ge­messen – wie kürzlich die Erdbebenserie im Antelope Valley. Geologen haben dieser Erdbebenzone inzwischen auch einen Namen gegeben, nämlich „Walker Lane“, benannt nach einem kleinen Fluss und einem See im Westen von Nevada.

Damit steht nicht nur der westliche Teil Kaliforniens, sondern der Bundesstaat auf ganzer Breite unter der von der Plattendrift ausgelösten tektonischen Spannung. Es verschiebt sich also nicht nur der Westen Kaliforniens langsam gegen das Inland. Los Angeles könnte somit eines Tages zu einem Vorort von San Francisco werden. Es wird auch der gesamte Bundesstaat allmählich aufgerissen, weil sich der Westen mindestens dreimal so schnell nach Nordwesten schiebt wie der Osten. Wie alle solche großräumigen geologischen Vorgänge spielt sich auch dieses Auseinanderreißen extrem langsam ab, sodass kein heute le­bender Menschen diesen Bruch je erleben wird. Die häufigen schweren Beben auf der Ostseite der Sierra Nevada sind aber ein untrügliches Zeichen dafür, dass auch weit im Osten Kaliforniens tektonische Kräfte unaufhörlich an ihm zerren.

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