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Zum Abschied noch einen Drink

Trink mit mir, mein Klavier!

Es gebe Songs, sagte Tom Waits einmal in einem Interview, Jahrzehnte nach der Veröffentlichung seines vierten Studio-Albums, die würden für eine Platte geschrieben, aufgenommen und kaum mehr gespielt. Andere hingegen begleiteten einen Musiker lange Zeit. Auf „Small Change“ aus dem Jahr 1976 fänden sich ein paar davon. „The Piano Has been Drinking“ gehört mit Sicherheit dazu.

Rückblickend nannte Waits die Entstehungsphase des Albums eine harte Zeit: Er sei zu viel unterwegs gewesen, habe zu schlecht gegessen und zu viel, viel zu viel getrunken. Nach schlechten Erfahrungen bei Auftritten in Amerika war er ein erstes Mal nach Europa gegangen. In einem Hotelzimmer in London schrieb er in kürzester Zeit die Songs für „Small Change“. Den letzten auf der A-Seite, „The Piano Has Been Drinking“, nannte er ergänzend „An Evening With Pete King“, dem Betreiber des berühmten Londoner Jazz-Clubs Ronnie Scott’s, in dem Waits Anfang Juni 1976 aufgetreten ist. Im Song werden eine ganze Reihe von Auffälligkeiten registriert: Der Schlips des lyrischen Ichs schläft, der Teppich könnte einen Haarschnitt vertragen, im Telefon gibt es keine Zigaretten mehr, die Aschenbecher haben sich zur Ruhe gesetzt. Die Bedienung der Bar sei nicht einmal mit einem Geigerzähler mehr zu finden und der Besitzer ein mentaler Zwerg mit dem IQ eines Zaunpfahls. Zu einem immer wiederkehrenden, simplen Akkordschema wird das Klavier wiederholt der Trunkenheit bezichtigt, in entschiedener Abgrenzung zum Sänger und Pianisten, der damit zugleich jede Schuld an der musikalischen Darbietung von sich weist.

Ein Kunstgriff von einiger Raffinesse, setzt der Song doch nicht nur die von Tom Waits sorgfältig gepflegte Bühnenfigur des ramponierten Poeten in einer Mischung aus Verzweiflung, Größe und Witz in Szene, sondern erlaubt noch dazu die glaubwürdige Aufführung selbst in desolatem Zustand. Das macht „The Piano Has Been Drinking“ zur gefährlichen Ausrede, die nicht nur innerhalb des Songs funktioniert – und damit zu einer Falle.

Ohne den Suff ist diese Selbstinszenierung von Tom Waits kaum vorstellbar. Wie schwer muss es sein, das eigene künstlerische Schaffen aus einer solchen Abhängigkeit zu befreien? Wenn man trinke, könne man nie sicher sein, ob die Geister, die sich durch einen hindurchbewegten, die eigenen oder die der Flasche seien, sagte Tom Waits vor bald fünfzehn Jahren in einem Interview im „Guardian“. Von einem bestimmten Punkt an bekomme man Angst vor der Antwort. Das sei wohl einer der Hauptgründe, der die Leute davon abhalte, nüchtern zu werden: die Angst, herauszufinden, dass es die ganze Zeit der Alkohol war, der gesprochen hat. Er habe immer vom Leben fasziniert sein wollen, sagte Tom Waits 2011 in einem anderen Interview mit dem Sender NPR. „Ich glaube, wenn du trinkst, beraubst du dich vielleicht selbst dieser wahren Erfahrung, auch wenn es so wirkt, als hättest du mehr davon. Doch man bekommt weniger davon.“

Schon Anfang der neunziger Jahre hat Tom Waits dem Trinken abgeschworen. Wie es dem Klavier seither geht, ist nicht überliefert. (kue)

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