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#Zum Tod des Wagner-Tenors Stephen Gould

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Von Statur und Stimme her schien Stephen Gould eine robuste Kraftnatur zu sein, für die Erschöpfung nicht vorgesehen war. Es gab Jahre, in denen der amerikanische Tenor bei den Bayreuther Festspielen zwei der am stärksten fordernden Heldenpartien von Richard Wagner, den Tristan und den Tannhäuser, sang und dazu noch – mit großem Spaß und herzlicher Zugewandtheit dem ganz jungen Publikum gegenüber – als Tristan in der Fassung von „Tristan und Isolde“ für Kinder auftrat. Im vergangenen Jahr wollte er sich zu dieser immensen Aufgabe auch noch den Siegfried im „Ring des Nibelungen“ zumuten, wozu es dann doch nicht kam.

Wie er das alles schaffte, blieb ein Rätsel. Seine Stimme zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen. Sein Tenor klang zwar nicht einschmeichelnd schön, aber immer sicher, durchaus sauber in der Intonation selbst in den großen Kraftausbrüchen, dabei erstaunlich klar in der Diktion des Textes, vor allem aber ausdrucksvoll, niemals indifferent gegenüber der dramatischen Situation der Figur.

Gould stammte aus Virginia. Sängerisch begonnen hatte der 1962 geborene Sohn einer Konzertpianistin und eines Methodistenpfarrers nach seinem Studium in Boston zunächst beim Musical. Kurz nach der Jahrtausendwende, mit noch nicht einmal dreißig Jahren, wechselte er ins Heldenfach und fasste schnell Fuß in der Opernszene Europas. Über die Tenorpartien von Richard Strauss (Bacchus in „Ariadne auf Naxos“ und Kaiser in „Die Frau ohne Schatten“) kam er bald zu Wagner und wurde schon in der Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends zu einem der gesuchtesten Heldentenöre der Welt.

Gould, der den Titel eines „Österreichischen Kammersängers“ verliehen bekam, lebte abwechselnd in den Vereinigten Staaten und Österreich beziehungsweise Deutschland. Der alltägliche Kontakt mit der Muttersprache von Wagner und Strauss schien ihm unerlässlich, um deren Partien singen zu können. Kein Sprach-Coach, wie an den großen Opernhäusern üblich, war ihm ausreichend, um die Feinheiten der Artikulation, der Satzmelodie, der Vokalfärbung im Deutschen angemessen zu verinnerlichen.

Als Siegfried in der Einspielung des „Rings des Nibelungen“ mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Marek Janowski erlebt man Gould auf dem Höhepunkt seines stimmlichen Könnens: gleißend hell die Stimme in der Schmiedeszene, doch immer gut geerdet, dann aber zärtlich in der Begegnung mit Brünnhilde am Walkürenfelsen.

Gould war ein wundgerissener Held

Gould verstand es, auch vokal darzustellen, dass Wagners Helden sich an den Verhältnissen der Welt wundrissen. So sehr er sich als Tristan beim Liebesduett im zweiten Aufzug in der Gewalt haben konnte, so ekstatisch entgrenzte er sich in den Fieberschüben des Finales. Als Katharina Wagner „Tristan und Isolde“ in Bayreuth als ausweglose Liebe in einem totalen Überwachungsstaat inszenierte, worin jedes Schlupfloch der Privatheit durch die Suchscheinwerfer der Geheimdienste eines brutalen Königs Marke ausgeleuchtet wurde, war es Gould, der das Gehetzte eines pausenlos Gescheuchten auch stimmlich zu beglaubigen wusste.

Seinen Höhepunkt als Darsteller aber erlebte er mit Tobias Kratzers Inszenierung des „Tannhäuser“ in Bayreuth. Kratzer machte Gould zu einem zwar massigen, aber traurigen, völlig verirrten Clown ganz nach dem Vorbild von Emil Jannings im frühen deutschen Tonfilm „Der blaue Engel“. Gould, stimmlich eben eine Kraft- und Lustnatur, so hilflos, verstört und seelisch versehrt zu sehen, war ein Ereignis, das der Inszenierung selbst in den burlesken Momenten eine melancholische Tiefe gab.

Kurz vor den Bayreuther Festspielen dieses Jahres hatte Gould, der über mehr als anderthalb Jahrzehnte hinweg eine tragende Säule des Bayreuther Wagner-Ensembles gewesen war (neben Größen wie Georg Zeppenfeld, Christa Mayer, Camilla Nylund und Klaus Florian Vogt) seine Mitwirkung absagen müssen. Katharina Wagner, die Künstlerische Leiterin der Bayreuther Festspiele, wusste bereits vor drei Monaten um die Schwere von Goulds Erkrankung. Sie zeigte sich schon damals von der Nachricht persönlich schwer getroffen.

Kurz nach Ende der Festspiele gab Stephen Gould das Ende seiner Karriere wegen einer schweren, sich schnell zuspitzenden Krebserkrankung bekannt. Am 19. September ist er ihr erlegen. Der Verlust nicht nur für die Bayreuther Festspiele ist immens. In einer offiziellen Mitteilung vom Grünen Hügel wird er als Künstler, Pädagoge und Freund gewürdigt: „Seine bemerkenswerte Kondition, unbändige Neugierde und höchste Professionalität, auch im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, zeichneten ihn aus. Nach eigenem Bekunden war Wagner für ihn reine Meditation, ein Mantra“.

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