#Zwei Schlussworte an einem Tag
„Zwei Schlussworte an einem Tag“
Am Dienstag feiert Russland den „Tag des Vaterlandsbeschützers“, und damit der Montag zum Brückentag und das Wochenende lang wird, wurde der Samstag zum Arbeitstag. Das erklärt, warum ein Moskauer Gericht am Samstag in Sachen Alexej Nawalnyj verhandelte – und dies gleich in zwei Verfahren, so dass der seit seiner Rückkehr aus Deutschland vor gut einem Monat inhaftierte russische Oppositionelle mit gleich zwei Schlussworten auftrat. Zunächst in einem Rechtsmittelverfahren gegen das Urteil, mit dem Anfang Februar die Bewährung zu einer Ende 2014 verhängten Haftstrafe aufgehoben wurde – obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) das Urteil als willkürlich und unbegründet eingestuft und Russland deshalb verurteilt hat. Die Drohung mit Haft wegen Verstößen gegen Meldepflichten war Teil der Versuche, Nawalnyj von einer Rückkehr aus Deutschland, wo er sich von der Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok erholte, abzuhalten. Er kam dennoch.
Nawalnyjs Anwältin Olga Michajlowa reichte dem Richter zu Beginn der Verhandlung am Samstagmorgen die jüngste Forderung des EGMR, Nawalnyj sofort freizulassen. Unter der völligen Kontrolle der russischen Machthaber drohe Nawalnyj Gefahr für Leben und Gesundheit, fasste Michajlowa die Begründung des EGMR zusammen. Die Anwältin erinnerte an einen Fall im Frühjahr 2019, als es Nawalnyj während einer Arreststrafe in Moskau aus nie geklärten Gründen gesundheitlich schlecht ging (offiziell war es ein allergischer Schock, aber der Politiker leidet nicht unter Allergien) sowie an die Vergiftung im vergangenen August, die Russland bis heute nicht offiziell anerkennt; nur für die Propaganda wird geraunt, womöglich hätten Mitstreiter oder der Westen Nawalnyj vergiftet.
Die Linie der Anklage, die Staatsanwältin Jekaterina Frolowa am Samstag wiederholte, besteht darin, dass die ambulante Rehabilitation, die Nawalnyj nach der Entlassung aus der stationären Behandlung in der Berliner Klinik Charité antrat, keine Behandlung gewesen sei und dass sich Nawalnyj in der fraglichen Zeit vor den Bewährungsaufsehern „versteckt“ habe. „Wenn ich mich versteckt hätte, stände ich nicht in diesem wunderbaren Aquarium“, sagte Nawalnyj über den unter diesem Namen bekannten Glaskäfig für Angeklagte.
Anwältin Michajlowa erinnerte daran, dass Nawalnyj die Namen der Attentäter und Beweise vorgelegt habe, erinnerte an Russlands internationale Verpflichtungen, auch mit Blick auf den EGMR. Staatsanwältin Frolowa sagte, manche müssten Jahre auf eine Entscheidung des Gerichtshofs warten, Nawalnyj habe sie hingegen sehr schnell bekommen; der Richter sagte, die Eingabe des EGMR werde bei der Entscheidung berücksichtigt. Allerdings hatten die Äußerungen russischer Politiker bis hinauf zu Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow, die eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“ durch den EGMR beklagten, keinen Zweifel daran gelassen, dass Nawalnyj in Haft bleiben werde.
Angesichts der Vorbestimmtheit russischer Gerichtsverfahren sind Nawalnyjs Einlassungen vor Gericht meist ironisch, führen weg von konkreten Vorwürfen, hin zu seinem Gegner, Präsident Wladimir Putin. So sagte Nawalnyj im ersten seiner beiden Schlussworte, dass er so oft mit dem „letzten Wort“ aufzutreten habe, sei ein Signal der Machthaber und Putins persönlich: „Ja, das sieht alles komisch aus, aber schau, wir können das.“ Er, Nawalnyj, genieße den Ort, an dem er sich befinde – das Moskauer Untersuchungsgefängnis „Matrosenruhe“ – nicht sehr, doch bereue er überhaupt nicht, nach Russland zurückgekehrt zu sein.
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