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#100 Jahre Surrealismus in Brüssel: Giraffen im Kristallglas und der Anarchist aus dem Labor

Der Beginn des Surrealismus in Belgien vor einem Jahrhundert wird von Brüssels Königlichen Museen und dem Bozar mit 420 Bildern gefeiert. Davon sind fast hundert allein von Magritte. Eine Sensation.

Enden EU-geförderte Autobahnen und Bahnstrecken im Nichts, oder erweisen sich Neubauten mit schwerkraftspottenden Leitungssystemen als kaum bewohnbar, titeln Zeitungen in Brüssel, Gent oder Brügge gerne mit „Das ist belgischer Surrealismus!“ Jedem Liebhaber des Landes ist unmittelbar eingängig, wieso nur Belgien Ursprungsort der wahren surrealistischen Kunst sein kann. Zwar hat vor hundert Jahren André Breton in Paris mit seinem Manifest des Surrealismus diese Bewegung gleichzeitig mit Paul Nougé und den Künstlern um ihn in Belgien offiziell begründet, doch war die französische surrealistische Bewegung immer ornamental-ästhetischer, harmloser und vor allem weit weniger politisch.

Wie alt ist der belgische Surrealismus?

Der belgische Surrealismus strahlte nicht nur stärker, länger (René Magritte stirbt erst 1967) und heterogener in die Welt; er besitzt auch mit dem in vielfacher Hinsicht alle Konventionen über den Haufen rennenden Symbolisten des Landes deutlich mehr und ältere Vorläufer als die französische Spielart. Der Doyen eines Prä-Surrealismus schon seit den Achtzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts, James Ensor, wird seit Beginn des Jahres in seiner Geburts- und Heimatstadt Ostende wie auch in Brüssel mit großen Ausstellungen geehrt; sein Kollegenkonkurrent Léon Spilliaert, aber auch Fernand Khnopff und Félicien Rops stehen gleichermaßen für ebenso schräge wie eigenständig symbolistische Vorformen des belgischen Surrealismus.

Und wenn Belgier feiern, dann richtig: Alle genannten vorwegnehmenden Künstler, die echten Surrealisten wie Magritte, Servais und Dalí sowie selbst noch ihre überseeischen Nachfolger wie der frühe Jackson Pollock oder Barnett Newman mit ihren surrealistischen Phasen werden mit üppigen 140 Werken in den Königlichen Museen der Schönen Künste in Brüssel gezeigt, die in ihren majestätischen Riesenhallen ohnehin schon die weltgrößte Sammlung an Ma­gritte-Gemälden beheimaten. Als wäre das nicht genug, schließt sich das benachbarte Bozar mit weiteren 280 Spitzenwerken quer durch sämtliche Medien wie Malerei, Skulptur, Collage, Fotografie und Film an, die aus dem eigenen respekta­blen Bestand wie auch aus fünfzig Museen weltweit wie dem Centre Pompidou Paris, der Fundación Mapfre in Madrid, der Hamburger Kunsthalle sowie dem Philadelphia Museum of Art entliehen wurden – allesamt Stationen, in denen die spektakuläre Ausstellung nach ihrem Brüsseler Ende zu sehen sein wird.

Die Bilder auf Spiegelsockeln ergeben ein fesselndes Labyrinth

Bei insgesamt 420 Werken ergeben sich zwei Probleme: Es benötigt viel Zeit, um das Lehrreiche der Ausstellungen erfassen zu können. Und die beiden Schauen im räumlichen Abstand von wenigen Metern müssen kuratorisch hinreichend unterschieden sein. Jene im Königlichen Museum unter dem Titel „Imagine“ ist Kuratorin Francisca Vandepitte zufolge eine Aufforderung an die Besucher, so bildassoziativ wie die Surrealisten zu denken, und ist in zehn ihrer Kernthemen wie Nacht, Traum, Walddunkel, Körper und Kosmos (ein starker Schub für den Surrealismus kam tatsächlich noch einmal mit der Mondlandung 1969) gegliedert, alle für sich nicht neu, doch in den Kon­tras­tierungen von Werken, die so noch nie gegenübergestellt wurden, mit vielen erfrischend neuen Ideen aufgeladen.

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