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#30 Jahre Binnenmarkt: Groß gefeiert, nichts dahinter

„30 Jahre Binnenmarkt: Groß gefeiert, nichts dahinter“

Stell dir vor, der Europäische Binnenmarkt wird 30 Jahre alt, und es interessiert niemanden. Gewiss, an Festakten, Gastbeiträgen und Reden zur Feier des Jubiläums mangelt es nicht. Das Europaparlament hat den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr schon groß gefeiert, die EU-Kommission will im Februar folgen.

Es gibt auch allen Grund dazu. Die Öffnung der internen Grenzen für Waren und Menschen zum 1. Januar 1993 hat der EU einzigartigen Wohlstand beschert. 440 Millionen Verbraucher profitieren heute von einer größeren und günstigeren Auswahl an Waren, 17 Millionen Menschen leben oder arbeiten in einem anderen EU-Staat, 24 Millionen Unternehmen sitzen im Binnenmarkt und produzieren dort 15 Prozent aller auf der Welt gehandelten Güter. Die Ausfuhr innerhalb der EU, also von einem in den anderen EU-Staat, hat sich seit Anfang 1993 verfünffacht.

Dennoch wirken all die Reden und Beiträge wie Lippenbekenntnisse. In der Tagespolitik spielt der EU-Binnenmarkt keine große Rolle. Das kann man positiv deuten. Dann wäre der Binnenmarkt vor allem Opfer des eigenen Erfolgs. Sein Charme liegt ja darin, dass man ihn nicht bemerkt. Das ändert sich erst, wenn der reibungslose – oder besser grenzenlose – Zugang zum Markt hakt. Die Briten können ein Lied davon singen.

Das Desinteresse ist eine verpasste Chance

Den restlichen Europäern hat die Corona-Pandemie vor Augen geführt, wie fragil der Binnenmarkt ist. Plötzlich gab es wieder Kontrollen an den internen Grenzen, stauten sich Lastwagen, wurde der Handel mit wichtigen Gütern eingeschränkt. Die Kommission hat daraufhin ein neues Binnenmarktnotfallinstrument geschaffen, das solche Friktionen in neuen Krisen verhindern soll. Aber das war letztlich nicht mehr als der Versuch, den Status quo zu wahren, eine Notfallreparatur.

Tatsächlich ist das Desinteresse der Tagespolitik am Binnenmarkt eine verpasste Chance. Denn der Binnenmarkt könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, eine der wohl größten Herausforderungen zu lösen, vor der die EU heute steht: Wie können die europäischen Unternehmen trotz der wohl noch Jahre höheren Energiepreise und staatlicher Hilfen in drei- bis vierstelliger Milliardenhöhe in den USA und China im internationalen Wettbewerb mithalten?

Es war der Wettbewerb im Binnenmarkt, der den europäischen Unternehmen neue Impulse gegeben hat und sie damit fitter für den globalen Wettbewerb gemacht hat. Diese Kraft hat der Binnenmarkt weiterhin – zumal der Markt durchaus noch Verbesserungspotential hat. Allen voran im Dienstleistungssektor, aber nicht nur dort, gibt es noch zahlreiche Hindernisse, die den Handel behindern.

Ungehobenes Milliardenpotential

Das allerdings sehen in Brüssel nur wenige. „Niemand ist perfekt mit 30 Jahren, nicht mal der Binnenmarkt“, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager jetzt in einer Rede. „Es ist unser Job, ihn besser zu machen. Das ungehobene Potential zu heben, bringt viel mehr, als alle Staatshilfen jemals können.“ Auf 713 Milliarden Euro bis 2029 beziffert Vestager dieses Potential. Das ist viel mehr als die 369 Milliarden Dollar bis 2032 aus dem amerikanischen „Inflation Reduction Act“, der die EU so alarmiert hat.

Vestagers Worte muss man als Kritik am Kurs der EU-Kommission lesen. Der zuständige Binnenmarktkommissar Thierry Breton versteht sich allen voran als Industriekommissar. Sein Fokus liegt nicht auf dem ungehobenen Potential des Binnenmarkts. Er will Branchen, die seiner Ansicht nach wichtig sind, stärken und mit hohen Staatshilfen versorgen.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wiederum ist voll auf den Subventionswettlauf der EU mit den USA und China konzentriert. Sie hat Vestager gedrängt, die EU-Beihilferegeln aufzuweichen, um großzügige Hilfen der Staaten zu ermöglichen. Vor allem aber dringt sie auf neue eigene EU-Geldtöpfe, um ganz nach Vorbild der Vereinigten Staaten grüne Technologien fördern zu können.

Der Binnenmarkt dient von der Leyen allenfalls dazu, neue EU-Schulden zu rechtfertigen. Wenn finanzstarke Staaten wie Deutschland ihre Unternehmen mit Milliarden förderten, Länder wie Italien oder Spanien aber nicht mithalten könnten, verzerre das den Binnenmarkt, argumentiert sie. Also brauche die EU, sprich die Kommission, neue Mittel, um das auszugleichen. Die Unternehmen nehmen all das Geld natürlich gerne.

Dabei könnte die Kommission mit dem Abbau von Bürokratie, regulatorischen Lasten und Hürden im Binnenmarkt so viel Wichtigeres tun, um sie vom Standort EU zu überzeugen. Hehre Worte zum 30. Geburtstag des Binnenmarkts allein indes reichen kaum dazu.

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