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#„365 Days: Noch ein Tag“ bei Netflix: Beschämendes Ende der Sex-Saga

„„365 Days: Noch ein Tag“ bei Netflix: Beschämendes Ende der Sex-Saga“

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Mit dem Erotikdrama „365 Days: Noch ein Tag“ beendet Netflix eine der mit Sicherheit grässlichsten Filmtrilogien aller Zeiten.

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Man hätte den Menschen doch wenigstens etwas Zeit zum Verschnaufen lassen können! Gerade einmal vier Monate ist es her, seit der zweite Teil von „365 Days“ bei Netflix erschien und sein Publikum ein weiteres Mal mit Hochglanz-Werbebildern, Popmusik und toxischem Beziehungsmissbrauch in lüsterne Stimmung zu versetzen versuchte. Das begann einmal als verruchtes Skandal-Vehikel und romantisierte Vergewaltigungsfantasie. Ein Internet-Shitstorm war die Folge und womöglich auch ein Grund, weshalb der ganze Mumpitz nun so stillschweigend und im Schnelldurchlauf über die Ziellinie gepeitscht wird.

2020, als der Streaming-Dienst den Auftakt der Trilogie nach den Romanen von Blanka Lipińska herausbrachte, drehte sich alles um die Entführung von Laura (Anna-Maria Sieklucka). Der sizilianische Mafioso Massimo (Michele Morrone) gab ihr 365 Tage Zeit, um sich in sie zu verlieben, andernfalls wollte er sie trotzdem zur Frau nehmen. Und weil der Gangster so unverschämt heiß und reich ist, entstand natürlich in der Tat eine Form von Liebe zwischen beiden. Fifty Shades of Massimo. Zwei Filme später hat sich am grundlegenden Konflikt nichts geändert, an der sterilen und künstlichen Werbefilmästhetik schon gar nichts. Inzwischen ist nur ein zweiter Mann als amouröser Konkurrent hinzugekommen: Nacho (Simone Susinna).

Nach dem Thriller-Plot in Teil 2 rund um Eifersucht und eine fatale Verwechslung befasst sich das Liebesdreieck nun mit der Frage: Wird Laura aus ihrem goldenen Käfig ausbrechen? Da steht sie: hilflos, grübelnd. Welches der beiden muskulösen Unterwäsche-Models soll sie zum Mann nehmen? Einer von beiden hat kürzere Haare und mehr Tattoos. Das luxuriöse Anwesen des einen ist etwas kleiner als das des anderen. Bescheidene Verhältnisse muss man das wohl in der Protzwelt von „365 Days“ nennen. Massimo tobt erneut vor Eifersucht, sein Gegenspieler umgarnt Laura mit der Aussicht auf Einvernehmlichkeit.

Im Bett mit zwei Machos

Ein zaghafter Schritt in Richtung Emanzipation wird auch in „354 Days: Noch ein Tag“ unternommen. Schon im Vorgänger versuchte man vergeblich, mit wenigen Gesten das Missbräuchliche und Sexistische der Prämisse dieser Trilogie zu relativieren. In Teil 3 geht es um die Freiheit der Frau in der Ehe, das Abkoppeln vom übergriffigen Gatten. Selbstverständlich bleibt die Ehe als Form des Zusammenlebens an sich unangetastet, eine solche Subversion ist von dieser Reihe keineswegs zu erwarten. Sie zeigt sich unter ihrer geifernden Dauergeilheit konservativer denn je.

Einmal erscheint da die Polyamorie im feuchten Traum: Laura imaginiert einen Dreier mit Nacho und Massimo. Ihre Fantasie mündet darin, dass die beiden Männer sich stürmisch zu küssen beginnen. Die Irritation ist perfekt, Laura erwacht verdutzt. In der reaktionären Welt von „365 Days“ ist natürlich kein Platz für alles jenseits der Heteronorm. Allein für ein Bild der Verschmelzung zweier männlicher Charaktere, die der Film als gegensätzliche Pole verstehen will, aber letztlich in ihrer klonartigen Persönlichkeit nur im kleinsten gemeinsamen Nenner aufpolierter Makellosigkeit und Dauerpotenz zu vereinen weiß.

Doch kein Ende für „365 Days“ in Sicht?

Interessanterweise mündet diese Ménage-à-trois erneut in einer offenen Frage. Die Trilogie ist vollendet, Netflix lässt sich dennoch eine Tür offen. Es ist die wohl größte Drohung, die man aussprechen konnte: die Aussicht auf eine weitere Fortsetzung. Mit kreisenden Kamerabewegungen betrachten wir Laura und Massimo am Traumstrand. Eine finale Gegenüberstellung, ein verbales Westernduell mit Bildern aus dem Reisekatalog. Zwei perfekt hergerichtete Körper aus einer Welt der Abhängigkeiten, in der auch im dritten Teil Bedienstete die Arbeit übernehmen, um die Urlaubskulissen makellos zu halten, während Herr und Herrin ihre Liebesdramen ausfechten. Das Problem ist so nicht zu lösen, die Entscheidung zwischen den beiden Männern. Der Kreislauf aus Beschwichtigung, Streit, emotionaler Manipulation und kopulierender Versöhnung geht unendlich weiter.

Im Grunde ist es aussichtslos, sich überhaupt mit dem Inhalt dieses Films genauer befassen zu wollen, denn es geht in „365 Days: Noch ein Tag“ abseits seiner altbackenen Geschlechterdiskurse zuvorderst darum: um das inhaltliche Entleeren. Da ist keine Lust mehr am dramaturgischen Erzählen vorhanden, nur am unreflektierten Ausstellen. Bis sich überhaupt einmal so etwas wie ein Konflikt entfaltet, ist der halbe Film vorbei, der bis dahin allein als Peepshow von ausgeschlachteten Emotionalitäten konzipiert ist. Ein einziges Zeigen von glücklichen, ekstatischen, feiernden, geschminkten Gesichtern, von unzähligen Produkten, von mechanischer Schönheit. Ein leeres Begaffen von Ereignissen, die sich allein durch ihre gestelzte Gefühligkeit definieren wollen. Und immer wieder Sex! Leblose Choreographien, Doggystyle in Zeitlupe und Gegenlicht, Körperfassaden, bemalt mit überdrehten Farbfiltern.

Ewiges Glotzen

„365 Days: Noch ein Tag“ verrät etwas über einen alarmierenden Teil von Streaming-Kultur. Es gibt ganz wunderbare Streaming-Plattformen und -Inhalte, kuratierte Angebote, die das Potential des Mediums pflegen. Dieses Machwerk bei Netflix gehört nicht dazu. In letzter Konsequenz präsentiert die Erotik-Trilogie eine dystopische Endstufe, wie sich die Kunstform Film missbrauchen, in ein Flimmern im Hintergrund verwandeln lässt. Wie man sie allein zum gefälligen Kanal degradiert, der Konsumentinnen und Konsumenten stundenlang entkernte, selbstgefällige Bilder auf die Netzhaut sendet. Insofern ist sich die Reihe drei Filme lang treu geblieben. Alle drei sind wie aus einem Guss, ohne Anfang, ohne Ende.

Eigentlich taugt „365 Days“ mehr als warnende Installation über Konsumterror. Das Glotzen, mit dem sie das Publikum auf ihre Welt schauen lässt, gleicht einer medialen Pornosucht oder aber einem Doomscrolling durch soziale Netzwerke. Ein Urlaubsfoto, ein Blick in überinszenierte Haushalte reiht sich an den nächsten. Ganz viel nackte Haut will an den Bildschirm fesseln, bevor die angeheizte Stimmung zwischendrin mit ein paar Binsenweisheiten wieder abkühlt.

Nichts lässt sich greifen in diesem affektiven Dauerfeuer. Jede Idee und Überlegung, die sich aus diesem Beziehungsdrama herausschält, wird einem direkt im Strom der grellen, mit scheußlicher Popmusik unterlegten Eindrücke wieder entrissen, um sich unendlich in ihrem gewohnten Lauf zu duplizieren. Filme für jede aktuelle Befindlichkeit, das ist es doch, wonach sich Streaming-Plattformen wie Netflix immer wieder sehnen. In „365 Days“ finden sich gleich alle emotionsbetonten Lebenslagen, die einem auf Anhieb einfallen könnten – das perfekte Produkt. Etwas zum Trauern, etwas zum Mitfiebern, ein paar freundschaftliche Neckereien, etwas zum Feiern, viel zum Aufgeilen, etwas zum Schmachten, noch mehr zum Beneiden und Gaffen. Spüren, was sich eben so spüren lässt, wo eigentlich alles gefühlskalt, zerfallen, innerlich tot ist. Alles davon, jede Lebenslage lässt sich in Pornographie verwandeln, das ist die eigentliche Lehre, die diese Reihe birgt.

365 Days: Noch ein Tag“ ist seit dem 19. August 2022 bei Netflix verfügbar.

Bildquelle:

  • 365-days-next-day: Netflix

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Von

Janick Nolting

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