Wissenschaft

#Wie sich Gesellschaften nach Rückschlägen erholen

Ereignisse wie Dürren, Kriege und Naturkatastrophen haben im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder dafür gesorgt, dass Populationen drastisch schrumpften. Doch meist erholten sich die Gesellschaften im Laufe von Jahrzehnten bis Jahrhunderten von den Rückschlägen. Eine Studie zeigt nun anhand von historischen Aufzeichnungen und archäologischen Daten, dass die Anzahl der überstandenen Krisen die Widerstandfähigkeit einer Population gegenüber zukünftigen Rückschlägen erhöht. Demnach könnten gerade Krisen dazu beigetragen haben, das menschliche Bevölkerungswachstum langfristig zu fördern.

In der Ökologie geht man davon aus, dass häufige natürliche Störungen dazu beitragen, ein Ökosystem langfristig stabiler und widerstandsfähiger zu machen. Ob ähnliches auch für menschliche Populationen gilt, war allerdings bislang unklar. Wie schaffen es Gesellschaften, mit Krisen umzugehen und sich von ihnen zu erholen? Welche Faktoren tragen dazu bei, gesellschaftliche Resilienz aufzubauen, die es ermöglicht, Rückschläge zu verkraften und womöglich sogar gestärkt daraus hervorzugehen?

Historische Betrachtung

Diesen Fragen hat sich ein Team um Philip Riris von der Bournemouth University in Großbritannien aus einer historischen Perspektive genähert. „Die Aufzeichnungen über die Anpassungen der Menschen in der Vergangenheit liefern wichtige Erkenntnisse für die Reaktion auf künftige Krisen“, schreibt das Forschungsteam. „Wir haben die Resilienz in einer breiten Stichprobe prähistorischer Populationsdaten über 30.000 Jahre Menschheitsgeschichte hinweg zusammengefasst.“

Als Grundlage nutzten Riris und seine Kollegen veröffentlichte Studien, die jeweils für einzelne Orte und Bevölkerungen rekonstruiert haben, wie sich die jeweilige Population im Laufe der Jahrtausende entwickelt hat, wann es zu starken Bevölkerungsverlusten kam und über welche Zeitspanne hinweg sich die Gesellschaft wieder davon erholt hat. Die aktuelle Studie fasst Daten von 16 Orten aus verschiedenen Teilen der Welt zusammen. „Unsere globale Auswahl an Regionen reicht von der Arktis bis zu den Tropen“, so die Forschenden.

Krisen als Chance

Insgesamt erfasste das Team 154 starke Bevölkerungsverluste, ausgelöst durch eine breite Spanne von Ereignissen. Dazu zählten Umweltfaktoren wie Dürren und Vulkanausbrüche, gesellschaftliche Faktoren wie Kriege und Kolonialismus sowie Mischungen aus beidem, etwa Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten in Anpassung an sich wandelnde Umweltbedingungen. Die Informationen über diese Ereignisse stammten teils aus historischen Aufzeichnungen, teils aus archäologischen Funden, Klimamodellen und Sedimentuntersuchungen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass ein einziger Faktor, nämlich die Häufigkeit vergangener Krisen, sowohl die Fähigkeit erhöht, Störungen zu widerstehen, als auch die Fähigkeit, sich von ihnen zu erholen“, berichten die Forschenden. Je öfter eine Gesellschaft also bereits in der Vergangenheit Rückschläge erleiden musste, desto besser konnte sie damit umgehen. Wie schnell die Erholung vonstatten ging, unterlag großen Schwankungen. Viele Populationen brauchten Jahrhunderte, bis sie wieder auf ihre ursprüngliche Größe gewachsen waren, anderen gelang das innerhalb von Jahrzehnten.

Landwirtschaft beeinflusst Resilienz

Als weiteren Einflussfaktor identifizierten Riris und sein Team die Ernährungsgewohnheiten der jeweiligen Bevölkerung. „Die globale Umstellung auf eine nahrungsmittelproduzierende Wirtschaft während des Holozäns, das 11.700 vor unserer Zeitrechnung begonnen hat, hat einerseits die Anfälligkeit der Bevölkerung für Störungen erhöht, gleichzeitig aber auch ihre Anpassungsfähigkeit durch wiederholte Exposition verbessert.“

So sind Populationen, die auf Ackerbau und Viehhaltung setzen, stärker von Umweltfaktoren wie Niederschlag und Temperatur abhängig. Eine einzige Dürre kann gravierende Hungersnöte auslösen und viele Menschen das Leben kosten. Jäger-Sammler-Gesellschaften sowie Populationen, die sich auf Fischfang spezialisiert hatten, erlebten diesbezüglich weniger Schwankungen. Dafür wiederum entwickelten landwirtschaftlich ausgerichtete Gesellschaften Strategien, mit Rückschlägen umzugehen, sodass sie trotz wiederholter Störungen langfristig resilienter waren.

„Bevölkerungsrückgänge waren potenzielle Auslöser für Investitionen in Infrastruktur, sozialen Zusammenhalt und technologischen Fortschritt“, erklären die Forschenden. „Wir vermuten, dass das insgesamt konstante langfristige Bevölkerungswachstum der Menschheit zum Teil auf die hier dokumentierte positive Rückkopplung zwischen Anfälligkeit, Widerstandsfähigkeit und Erholung zurückzuführen sein könnte.“

Quelle: Philip Riris (Bournemouth University, Poole, UK) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07354-8

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