Vor den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch häufen sich Forderungen nach weniger strengen Maßnahmen ebenso wie Warnungen vor einer dadurch möglicherweise befeuerten dritten Welle der Pandemie.
Mehrere Ärzteverbände warnen vor voreiligen und unkoordinierten Lockerungen des Lockdowns. „Es wäre falsch, einfach einige Bereiche zu öffnen, weil die Menschen lockdownmüde sind“, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der deutschen Amtsärzte, Ute Teichert, der „Rheinischen Post“. Öffnungen sollten nur in Verbindung mit einer gezielten Test- und Nachverfolgungsstrategie erfolgen, mahnte sie. „Keinesfalls dürfen wir dem Virus den roten Teppich ausrollen.“ Es gehe jetzt darum, die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zurückzugewinnen. „Das Virus ist im Augenblick immer noch schneller als unsere Maßnahmen, wir reagieren nur. Das muss sich ändern.“ Teichert forderte daher mehr Tests in den Schulen, in den Betrieben „und auch beim Friseur“. Außerdem müsse noch viel mehr auf Varianten des Coronavirus getestet werden, um einen besseren Überblick über deren Ausbreitung zu erhalten.
Ähnlich argumentierte der Marburger Bund. „Die Öffnungen sollten langsam und stufenweise erfolgen. Es ist wichtig, Folgewirkungen abzuwarten, bevor man den nächsten Schritt macht“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Gefahr einer dritten Infektionswelle mit hochansteckenden Virusvarianten betreffe nicht nur ältere Patienten, „auch jüngere, insbesondere Risikopatienten“. „Wir reden hier von einem Viertel der Bevölkerung“, sagte sie. Sollte die dritte Welle vergleichsweise ungebremst auf sie treffen, komme es zwangsläufig zu einem Wiederanstieg der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen.
Kinderärzte sehen Schüler-Schnelltests skeptisch
Auch Überlegungen zu regelmäßigen Corona-Tests bei Schülern stoßen jedoch bei Medizinern auf Kritik. „Die zu erwartende hohe Zahl an falschen negativen und falschen positiven Ergebnissen würde aus unserer Sicht weit mehr Schaden anrichten als nutzen“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es bestehe „eine erhebliche Gefahr“, dass die Hygienemaßnahmen nach negativen Testergebnissen nicht mehr eingehalten würden, weil sich die Schüler in falscher Sicherheit wögen. „Angesichts vieler falsch negativer Ergebnisse könnte das zu mehr Ansteckungen führen, als wenn nicht getestet würde; das wäre verheerend.“ Auf der anderen Seite müssten Kinder bei falsch positiven Ergebnissen unnötig in Quarantäne. Das Bundesgesundheitsministerium hält in einem Diskussionspapier, das der dpa vorliegt, ein oder zwei Tests pro Woche für Schülerinnen und Schüler für sinnvoll.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.