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#Kein Verlass mehr auf die Mehrheit

Kein Verlass mehr auf die Mehrheit

Michael Röger zeigt es gern, das schöne Oberschwaben, wie es früher auf Postkarten zu sehen war und wie es die Urlauber heute auf Instagram posten. Hügelige Landschaft, einsame Weiler, liebliche Bäche, Waldlichtungen und im Hintergrund die österreichischen Alpen. Bei guter Sicht darf auch der Bodensee noch etwas hellblau schimmern. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts glaubten die Waldburger noch, sie könnten von der gleichnamigen Stammburg des früheren Reichsfürstengeschlechts sogar den Montblanc sehen – bis ein Forscher herausfand, dass es nur die Berner Alpen waren.

Rüdiger Soldt

Der Bürgermeister von Waldburg geht auf die Anhöhe am Rande des Orts mit gut 3000 Einwohnern. „Jetzt brauchen wir noch ein paar Kühe, dann ist der Oberschwaben-Kitsch perfekt.“ Röger ist kein gebürtiger Oberschwabe, er stammt aus dem Großraum Stuttgart, seit 1994 ist er Bürgermeister der Gemeinde. Früher waren die Landtagswahlkreise Ravensburg und Wangen fest in CDU-Hand. Heute sind sie grün. In Waldburg erlangten die Grünen mit 37,1 Prozent das beste Ergebnis im Landtagswahlkreis Ravensburg. Vor fünfzehn Jahren waren in dieser Region 58 Prozent für CDU-Politiker eher die Regel als die Ausnahme. Heute sind die Grünen in vielen Gemeinderäten die zweitstärkste Fraktion, in keiner anderen Partei sind die Chancen auf ein Mandat derzeit so groß, sofern man Engagement zeigt und vielleicht noch von „Fridays for Future“ kommt. Vor wenigen Tagen meldete der Landesverband schon wieder einen neuen Mitgliederrekord: 15000. Das ist eine Verdoppelung innerhalb von zehn Jahren.

Als die Grünen die ersten Mandate in den oberschwäbischen Gemeinden eroberten, lästerten die katholischen CDUler über die bärtigen Freaks in den Landkommunen: Grüne müsse man nicht beerdigen, die ließen sich besser kompostieren. Heute traut sich das niemand mehr. Die Grünen sind eine politisch prägende Kraft der Region zwischen Friedrichshafen und Biberach. Die CDU kann sich selbst im ländlichen Raum nicht mehr auf Mehrheiten verlassen. Der lang prophezeite Niedergang des katholisch-konservativen Wählermilieus, jetzt zeigt er sich. Weder die traditionsbewusste Bauernschaft noch der oberschwäbische Adel, der früher viele gesellschaftliche Schlüsselpositionen besetzte, sind für die CDU noch verlässliche Stützen.

Gegen die Kiesgrube: Klimacamp im Altdorfer Wald


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Bild: Patrick Junker

Der Bauernkriegshistoriker Peter Blickle schrieb den vielzitierten Satz, Oberschwaben zeichne sich durch eine „glückliche Rückständigkeit“ aus – ein weltabgeschiedener Landstrich, in dem Klöster und Kirchen über den Städten thronen und der Erntekalender und das Kirchenjahr noch den Lebenstakt der Menschen bestimmen. Das gilt schon mindestens zwei Jahrzehnte nicht mehr, die politischen Folgen offenbaren sich jetzt. Heute ist Oberschwaben eine Region „ökologischer Fortschrittlichkeit“. Ravensburg bietet ein urbanes Lebensgefühl, das sich wenig von dem in Heidelberg oder Freiburg unterscheidet. In Oberschwaben herrschte trotz aller Krisen der vergangenen Jahre hinweg Vollbeschäftigung. Die außerordentliche wirtschaftliche Stärke, die vielen Zugezogenen und das lange Wirken der Grünen haben Oberschwaben verändert.

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