Wissenschaft

#Afrikanische Hoffnung im Kampf gegen HIV

Genetisch bedingter Widerstandskraft auf der Spur: Forscher haben bei Menschen mit afrikanischer Abstammung eine genetische Besonderheit entdeckt, die mit einer geringen HI-Viruslast verbunden ist. Dadurch besitzen die Träger ein geringeres Übertragungsrisiko und das Fortschreiten der Erkrankung wird verlangsamt. Der Einblick in die Grundlagen natürlicher Widerstandskraft könnte zur weiterhin notwendigen Entwicklung neuer Behandlungsansätze führen, sagen die Wissenschaftler.

Trotz großer Fortschritte in der Behandlung ist HIV/Aids noch immer ein gewaltiges Gesundheitsproblem der Menschheit: Weltweit sind fast 40 Millionen Menschen von einer Infektion betroffen und jährlich kommen bis zu 1,5 Millionen hinzu. Das Virus greift die Immunzellen der Betroffenen an und beeinträchtigt deren Fähigkeit, Krankheits-Erreger oder -Ursachen zu bekämpfen. Dadurch werden sie anfällig für Infektionen und Krebs – Aids bedroht ihr Leben. Wer Zugang zu einer antiretroviralen Therapie hat, kann heute zwar vor dem Ausbruch der Immunschwäche verschont bleiben. Doch eine Heilung oder Impfung gegen HIV gibt es bisher nicht und es können sich Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln. Daher ist es nach wie vor dringend erforderlich, neue Möglichkeiten zur Bekämpfung von HIV/Aids zu erforschen.

Ein Ansatz besteht dabei darin, die Hintergründe natürlicher Widerstandskraft mancher Menschen gegen die Ausbreitung des Virus im Körper zu untersuchen. Denn der Mechanismus könnte sich möglicherweise therapeutisch nutzen lassen. Es ist in diesem Zusammenhang bekannt, dass manche Menschen nach einer Infektion eine vergleichsweise geringe Viruslast im Blut entwickeln. Dieser Wert ist dabei mit einem verzögerten Fortschreiten der Erkrankung sowie mit einem geringeren Risiko einer Weiterverbreitung der Infektion verbunden. Offenbar besitzen diese Menschen bestimmte genetische Veranlagungen, die der Vermehrung des Virus im Körper zumindest entgegenwirken.

Genomweite Assoziationsstudie

Genetische Besonderheiten, die mit einem bestimmten Effekt verbunden sind, lassen sich heute durch sogenannte genomweite Assoziationsstudien aufdecken. Dabei werden die Genome einer großen Anzahl von Personen analysiert, um genetische Varianten zu identifizieren, die mit einem klinischen Ergebnis verbunden sind – so auch etwa der Fähigkeit, die Virusreplikation auf natürliche Weise zu kontrollieren. Dieses Verfahren hat ein internationales Forscherteam nun gezielt im Fall von Menschen mit afrikanischer Abstammung angewendet. Denn bisher stand diese Gruppe noch wenig im Fokus entsprechender Studien, obwohl die Aussicht auf Erfolg vergleichsweise hoch ist. Denn die genetische Diversität der Menschen ist in Afrika besonders hoch.

Im Rahmen ihrer Studie haben die Wissenschaftler die DNA von fast 4000 HIV-Infizierten mit afrikanischer Abstammung analysiert. Sie konnten die genetischen Daten dabei mit Informationen zu dem Infektionsstatus und der Entwicklung der Viruslast bei diesen Personen verknüpfen. Mithilfe von Computeranalysen und genetischen Kartierungstechniken kamen sie dann einer Besonderheit auf dem Chromosom 1 auf die Spur, die mit einer verringerten Viruslast einhergeht. Es zeichnet sich ab, dass zwischen vier und 13 Prozent der Menschen afrikanischer Herkunft Träger dieses Merkmals sind.

Medizinisches Potenzial

Wie sich zeigte, betrifft die Variation ein Gen mit der Bezeichnung CHD1L. Von dieser Erbanlage ist bereits bekannt, dass sie zur Bildung eines Proteins führt, das eine Rolle bei der Reparatur beschädigter DNA spielt. Ein Zusammenhang mit HIV wurde bisher aber nicht aufgezeigt. Um grundlegend zu belegen, dass CHD1L tatsächlich etwas mit der Entwicklung der Viruslast zu tun hat, führte das Team deshalb experimentelle Untersuchungen an Immunzellen durch, die vom HI-Virus befallen werden und seiner Replikation dienen. Die Forscher erzeugten dazu aus Stammzellen Versionen der weißen Blutkörperchen, in denen die Aktivität von CHD1L eingeschränkt war. Zumindest grundlegend konnten sie auf diese Weise einen Effekt von CHD1L im Zusammenhang mit HIV nachweisen: Das Virus vermehrt sich in Makrophagen besser, wenn das Gen in ihnen ausgeschaltet ist.

Obwohl noch viele Fragen offen bleiben, erscheinen die Studienergebnisse damit nun sehr vielversprechend, sagen die Forscher: „Dieses Gen scheint für die Kontrolle der Viruslast bei einigen Menschen afrikanischer Abstammung wichtig zu sein“, sagt Co-Autorin Harriet Groom von der University of Cambridge. Obwohl wir noch nicht wissen, wie das genau funktioniert, haben wir dadurch wichtige Hinweise erhalten. Der Zusammenhang zwischen der HIV-Replikation in Makrophagen und der Viruslast ist dabei besonders interessant und unerwartet“, so die Wissenschaftlerin. Das Team wird sich deshalb nun durch weitere Untersuchungen der Frage widmen, welche Rolle CHD1L bei HIV-Infektionen spielt und warum die entdeckte Variante die Virus-Replikation beeinflusst.

Wie sie betonen, ist das große Ziel dabei ein praktischer Beitrag zur medizinischen Entwicklung: Einblicke in die genetischen Grundlagen natürlicher Widerstandskraft könnten zu verbesserten Behandlungsmöglichkeiten für infizierte Personen führen. „Unsere Ergebnisse liefern Einblicke in potenzielle therapeutische Ziele, die für die Fortsetzung des Kampfes gegen HIV erforderlich sind“, sagt Co-Autor Jacques Fellay von der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne. „Darüber hinaus unterstreichen unsere Ergebnisse, wie wichtig es ist, Genomstudien in verschiedenen Populationsgruppen durchzuführen“, so der Wissenschaftler.

Quelle: University of Cambridge, Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-023-06370-4

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