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#Alles eine Frage des Flügels

„Alles eine Frage des Flügels“

Die Grünenvorsitzende Ricarda Lang hat angekündigt, den Posten der Bundesfamilien­ministerin bis Ostern nachzubesetzen. Die bisherige Amtsinhaberin Anne Spiegel war am Montag wegen Fehlern im Krisenmanagement der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz im vergangenen Sommer zurückgetreten. Es gebe das Bedürfnis, die Frage schnell zu klären, sagte Lang am Dienstag dem Sender RTL/n-tv. Man sei in Gesprächen innerhalb der Partei.

Am Montagabend hatten sich Realos und Linke jeweils zu ihren Flügeltreffen zu­sammengeschaltet, die Entscheidung wird letztlich aber in der Sechserrunde getroffen, die aus den Ministern Robert Habeck und Annalena Baerbock, den Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge und den Parteivorsitzenden Lang und Omid Nouripour besteht.

Parität und Flügelproporz

Die Sache ist für die grüne Partei nicht ganz einfach. Es kommen dieselben Fragen hoch, die schon im Herbst bei der Besetzung des Kabinetts zu Streit geführt hatten: Welche Rolle spielen Parität und Flügelproporz?

Unter Grünen wurde am Montagabend darüber diskutiert, ob nun Anton Hofreiter, der ehemalige Fraktionsvorsitzende, an die Spitze des Familienministeriums rücken oder nach einer Kabinettsumbildung ein anderes Haus führen könnte. Unter Vertretern des linken Parteiflügels wird verbreitet, dass man sich im Herbst mit führenden Realos geeinigt habe, dass Hofreiter, der damals leer ausgegangen war, der erste Nachrücker werde. Allerdings finden auch Linke, dass Hofreiter in den vergangenen Monaten keine allzu gu­te Figur gemacht hat.

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Ricarda Lang, ebenfalls Mitglied des linken Flügels, wollte am Dienstag davon nichts wissen. „Es wird eine Frau geben“, sagte sie bei der Vorstandsklausur in Husum. Etwas weicher formulierte es die Fraktionsvorsitzende Haßelmann im Deutschlandfunk: „Jede und jeder, der die Grünen kennt, weiß, wie wichtig uns die Quotierung ist und wie wichtig, dass Frauen repräsentiert sind in Spitzenfunktionen. Auch das werden wir in der Frage der Entscheidung berücksichtigen.“

Die Grünen stellen fünf Minister, ohne Spiegel sind es zwei Männer und zwei Frauen. Nach dem grünen Frauen­statut muss der fünfte Platz mit einer Frau besetzt werden. Das Bundeskabinett wäre im Fall des Nachrückens eines Mannes ins­gesamt nicht mehr paritätisch aufgestellt, weil die FDP für ihre Ressorts drei Männer und nur eine Frau aufgestellt hat.

Offen ist noch, welche Bedeutung den Parteiflügeln in der Besetzungsfrage zu­kommt. Lang sagte auf die Frage, ob Spiegels Nachfolgerin dem linken Flügel angehören müsse, es gehe vor allem um „Kompetenz“. Es gebe eine besondere Verantwortung für die vielen Frauen und Kinder, die aus der Ukraine nach Deutschland ge­kommen seien und hier Schutz brauchten.

Appell gegen Mehrfachquotierung

Diese Position teilt die große Mehrheit der Realos. Daniel Mack, ehemals Mitglied der grünen Landtagsfraktion in Hessen, schrieb auf Twitter, was viele Realos denken: „Die Nachfolge von Anne Spiegel bitte nicht wieder am der Mehrfachquo­tierung (Mann/Frau, Realo/Linke, weiss (sic)/bunt, Stadt/Land, Ost/West, etc.) ausrichten.“

Der Rücktritt der grünen Familienministerin ist nicht die beste Voraussetzung für den Wahlkampf der Partei in Schleswig-Holstein: Die Grünen-Chefs Omid Nouripour (links) und Ricarda Lang (rechts) mit den Spitzenkandidatinnen in Schleswig-Holstein, Monika Heinold und Aminata Touré (2. v. r.), am Dienstag in einem Linienbus in Husum.


Der Rücktritt der grünen Familienministerin ist nicht die beste Voraussetzung für den Wahlkampf der Partei in Schleswig-Holstein: Die Grünen-Chefs Omid Nouripour (links) und Ricarda Lang (rechts) mit den Spitzenkandidatinnen in Schleswig-Holstein, Monika Heinold und Aminata Touré (2. v. r.), am Dienstag in einem Linienbus in Husum.
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Bild: dpa

Realos erinnern dieser Tage daran, dass viele Personalentscheidungen der Lin­ken zuletzt unbefriedigend gewesen seien – angefangen bei Simone Peter, der ehemaligen Bundesvorsitzenden, die kein glückliches Händchen hatte, über Hofreiter, der die Grünen mit der Wahl des Vorsitzes des Europaausschusses statt des Innenausschusses in Erklärungsnot gebracht hatte, bis hin zu Anne Spiegel.

Die Familienministerin selbst war Konsequenz der Flügellogik. Katrin Göring-Eckardt, langjährige Fraktionsvorsitzende, hätte das Haus gern übernommen. Unter Realos wird es als „gut vorstellbar“ bezeichnet, dass sie jetzt zum Zuge kommt. Hervorgehoben wird, dass Göring-Eckardt zwar offiziell dem Realo-Flügel angehört, die Thüringerin gilt aber als flexibel. Für sie spricht, dass mit einer erfahrenen Politikerin Ruhe in den grünen Teil des Kabinetts einziehen würde.

Im Gespräch sind auch Katharina Fegebank, zweite Bürgermeisterin in Hamburg, und Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der bayerischen Landtagsfraktion. Doch Grüne in Berlin warnen nun, dass Erfolg auf Landesebene noch nicht automatisch für den Bund qua­lifiziere, was man bei Spiegel habe se­hen können. Innerhalb des linken Flügels gibt es aber durchaus Grüne, die auf die Einhaltung der Flügelarithmetik pochen.

Die Linken fürchten um ihren Einfluss

In der Bundestagsfraktion sind die Linken mittlerweile in der Mehrheit, ebenso wie in einigen Landesverbänden, doch die Spitzenämter sind mehrheitlich mit Realos besetzt. Nach Umfragen sind die vier beliebtesten grünen Politiker neben Baerbock und Habeck zwei weitere Realos, Cem Özdemir, der Landwirtschaftsminister, und Winfried Kretschmann, der baden-württembergische Ministerpräsident. Daher fürchten Linke um ihren Einfluss. Viele haben noch nicht verwunden, dass es ihnen nicht gelungen ist, mit Hofreiter eine Führungsfigur ihres Flügels ins Kabinett zu bringen.

Aus dem linken Flügel werden Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Katharina Dröge, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden, ins Spiel gebracht. Bei beiden gibt es Fragezeichen. Brugger ist Fachfrau für Verteidigung, ein derzeit wichtiges Thema, mit Familienpolitik hat­te sie bisher wenig zu tun. Dröge ist noch dabei, sich in ihre neue Rolle als Fraktionsvorsitzende einzufinden. Dröges Alter – sie ist 37 – hält Lang, die selbst erst 28 ist, nicht für ein Problem: Erfahrung sei keine Frage des Alters, so Lang.

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