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#Alles gut? Oder alles anspruchslos?

Alles gut? Oder alles anspruchslos?

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wann es anfing, dass auf einmal alles gut war. Man konnte banale Fragen aus der Situation heraus stellen oder hintergründige Fragen, die früher einmal ein langes Gespräch nach sich zogen. Die Antwort war seit ein paar Jahren immer dieselbe.

//„Soll ich beim Tragen helfen?“
„Alles gut!“
„Brauchst du vielleicht
noch etwas Salz?“
„Alles gut!“
„Sorry, dass ich wieder zu spät bin.“
„Alles gut.“
„Ich hoffe, der Text war okay?“
„Alles gut.“
„Wie war es bei deinen Eltern?“
„Alles gut.“ //

In den USA ist es nicht anders. Da sagt man auch ständig „All good“ oder „Everything’s okay“, was in etwa so beliebig ist wie ein Wandtattoo neben der Kaffeemaschine. Auf Instagram laufen 50.000 Fotos unter dem Hashtag #allesgut. Es wird offensichtlich, dass a) Tiere, b) Natur und c) Alkohol und Essen sehr zum Wohlbefinden des Einzelnen beitragen können. Der Sprachwissenschaftler Roland Kaehlbrandt führte „Alles gut“ in einem Text für die F.A.Z. schon vor fünf Jahren neben anderen umgangssprachlichen Floskeln wie „Was geht?“ als Teil einer neuen alltagssprachlichen Ökonomie im Deutschen auf, als „Minidialog in jeder Lebenslage“. Komplexitätsreduktion ist das neue Ding. Muss lange her sein, dass Deutsch eine verschachtelte und verklausulierte Sprache war.

Passt diese Floskel überhaupt noch in die Zeit?

Woher kommt nun der inflationäre Gebrauch einer Aussage, die einen Zufriedenheitszustand abbildet, den ich selbst nur erreiche, wenn ich keine Termine und leicht einen sitzen habe? Sind wirklich alle so ausgeglichen und motiviert, wie sie tun? Liegt es an den steigenden Verkaufszahlen von CBD-Öl? Oder ist diese höfliche Geste einfach nur: altruistisch? Wenn man kurz vor dem Leistenbruch eine anpackende Hand verwehrt. Oder sich schämt, die Gastgeberin wegen ihres faden Risottos zu brüskieren. „Alles gut“ ist weder Ja noch Nein. „Alles gut“ ist Kommunikation in Moll. Es liegt ja schon am Klang dieser Antwort. „Alles gut“ hat keine Höhen und Tiefen. „Alles gut“ ist dehnbar, geradezu gemächlich.

Passt diese Floskel überhaupt noch in unsere krisengebeutelte Zeit? Spätestens die Pandemie hat doch die Missstände gezeigt: Mütter sind (noch) müder. Medizinisches Personal und Pflegekräfte sind (noch) stärker überlastet. Einsame sind (noch) einsamer. Es ist nicht alles gut. Vielleicht ist man aber auch einfach zu ermattet, um viel Aufhebens darum zu machen. Vielleicht dominieren gerade andere Sorgen, existentiellere als Risotto. Vielleicht ist das aber auch typisch Deutsch: Disziplin, Durchhaltevermögen, Demut − und dass man sich keine Schwäche eingestehen will. Almans sind gut im Aushalten. „Wir schaffen das!“ Wäre „alles gut“ keine Floskel, sondern eine Sportart, wäre es wahrscheinlich Yin-Yoga. Es zwickt. In der Position zu verharren ist zum Zerreißen anstrengend. Aber man hält es halt irgendwie aus – wie in der Großen Koalition.

Warum nicht ehrlich sein? Auch mal jammern dürfen. Sich Zeit nehmen, fürs Antworten und fürs Zuhören. Sagen, wenn nicht „alles gut“ ist. Auf politische und soziale Missstände hinweisen. Offen zu sagen, wenn das bestellte Essen nicht den Erwartungen entspricht. Ein fieses Banana Bread für 4,20 Euro reklamieren. Um Hilfe bitten. Fehler eingestehen. Sich mal beschweren, um am Ende leichter aus der Situation herauszukommen. Es wird schließlich irgendwann unglaubwürdig, wenn immer „alles gut“ ist. Wenn die Phrase zur Anti-Phrase wird wie ein aufblasbarer Flamingo in einem Meer voller Mikroplastik. Also bitte mehr Tiefgang, mehr Wahrhaftigkeit! Raus aus dem Passiv-Perfekten. Floskeln helfen nicht, auch wenn sie gut gemeint sind. Dann wird am Ende wirklich alles gut.

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