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#Als das Grundgesetz beinahe in Rüdesheim scheiterte

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Ob die elf westdeutschen Ministerpräsidenten im Sommer 1948 bisweilen die Muße hatten, den spektaku­lären Ausblick vom Niederwald ins Rheintal und den filigranen Rüdesheimer Riesling zu genießen, ist nicht überliefert. Anzunehmen ist, dass ihre Konzentration vor allem der Zukunft Deutschlands galt.

Oliver Bock

Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung für den Rheingau-Taunus-Kreis und für Wiesbaden.

Denn am 2. Juni vor 75 Jahren hatte eine Konferenz der drei westlichen Siegermächte und der Benelux-Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg – unter Ausschluss der Sowjetunion – grundsätzliche Einigung über die Neuordnung der Nachkriegsgrenzen erzielt. „Weststaatlösung“ hieß dieser Konsens, um aus den drei nicht sowjetisch besetzten Zonen einen demokratischen und föderalistischen Staat entstehen zu lassen. Ein Konsens, der am 1. Juli 1948 in den „Frankfurter Dokumenten“ niedergelegt wurde.

Die deutschen Ministerpräsidenten waren damit nicht zufrieden. Bei ihrer Tagung vom 8. bis 10. Juli berieten sie sich darüber im Hotel „Rittersturz“ in Koblenz. Ihre Sorge: Würde ein westdeutscher Staat mit eigener Verfassung die Teilung nicht noch weiter vertiefen und zementieren? In ihren „Koblenzer Beschlüssen“ warben sie dafür, statt einer deutschen Verfassung nur eine Art Organisationsstatut auszuarbeiten. Doch die alliierten Militärgouverneure lehnten unmittelbar und kurzerhand ab.

Illustre Runde: Die Liste der Teilnehmer der Konferenz und ihre Unterschriften


Illustre Runde: Die Liste der Teilnehmer der Konferenz und ihre Unterschriften
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Bild: Michael Hinz

Zur nächsten Krisensitzung trafen sich die Ministerpräsidenten im Grünen Salon des Jagdschlosses Niederwald. Zwei weitere Zusammenkünfte sollten folgen. Die letzte am 31. August 1948, damit am 1. September in Bonn der Parlamentarische Rat unter der Präsidentschaft von Konrad Adenauer seine Arbeit aufnehmen konnte, um ein Grundgesetz – keine „Verfassung“ – auszuarbeiten. Das war der Kompromiss: Statt einer Verfassung ein Grundgesetz als Provisorium, das die Wiedervereinigung nicht abschreiben sollte. Ein Jahr später, im Mai 1949, wurde das Grundgesetz verkündet.

Der Vorsitzende der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte und Gründungsdirektor der Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“, Kai-Michael Sprenger, hat der Verwaltung der „Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen“ als Eigentümerin des Jagdschlosses kürzlich nun eine Plakette überreicht, die es als Ort der Demokratiegeschichte ausweist.

Als das Schloss erbaut wurde, war die deutsche Demokratie freilich noch in weiter Ferne. Johann Friedrich Maximilian Graf von Osten hatte das Schloss in den Jahren zwischen 1764 und 1766 nach den Plänen von Anton Süß als Sommersitz errichten lassen.

Wandel des Schlosses über die Jahre

Es wurde in den Jahrzehnten danach sukzessive erweitert um Wohnungen, Lagergebäude und ein Wirtshaus. Im Jahr 1853, einige Jahrzehnte nach dem Tod des Grafen, übernahm das Herzogtum Nassau das Schloss, das dadurch 1866 in preußischen Besitz geriet. 1925 war das Schloss durch einen Brand stark beschädigt und anschließend als Hotel wieder aufgebaut worden.

Im Grünen Salon zeigt die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten derzeit eine große Informationswand zur Rolle des Jagdschlosses als Tagungsort im Sommer 1948. Unter den elf Ministerpräsidenten waren damals Christian Stock (SPD) für Hessen, Karl Arnold (CDU) für Nordrhein-Westfalen und Johann Peter Altmeier (CDU) für Rheinland-Pfalz. Die hessische Schlösserverwaltung, die auch das Niederwalddenkmal und den umgebenden Park verwaltet, macht mit der kleinen Ausstellung zur Demokratiegeschichte und den drei Niederwaldkonferenzen nach eigenen Angaben erstmals eine ihrer Sehenswürdigkeiten als einen „Ort der Demokratie“ sichtbar.

Anlässlich des 75. Jahrestages der Niederwaldkonferenz präsentieren die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessens eine kleine Dauerpräsentation im Jagdschloss Niederwald.


Anlässlich des 75. Jahrestages der Niederwaldkonferenz präsentieren die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessens eine kleine Dauerpräsentation im Jagdschloss Niederwald.
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Bild: Michael Hinz

„Das Jagdschloss Niederwald gehört ohne Zweifel zu den wichtigen, aber bislang noch zu wenig bekannten Orten der deutschen Demokratiegeschichte“, sagte Sprenger anlässlich der Übergabe der Plakette. „Im Jagdschloss Niederwald haben Männer, die in Konzentrationslagern die Diktatur des Nationalsozialismus überlebt hatten, zentrale Beiträge für das demokratische Fundament des zukünftigen Deutschland entwickelt“, ergänzt die Leiterin des Fachgebiets Museen der Schlösserverwaltung, Katharina Bechler. Das Jagdschloss sei daher „ein Ort des demokratischen Aufbruchs und der gesellschaftlichen Verantwortung“.

Laut Sprenger ist das Jagdschloss für die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik von Bedeutung, denn die dortigen Konferenzen stünden in direktem Zusammenhang mit der sogenannten Rittersturzkonferenz sowie dem Verfassungskonvent Herrenchiemsee. Diese seien schon auf der digitalen Deutschlandkarte zu den Orten der Demokratiegeschichte verzeichnet. Es sei wichtig, das Jagdschloss im Kontext zum anstehenden Jubiläum des Grundgesetzes künftig sichtbarer zu machen.

Im Rheingau ist schon ein anderes Gebäude in diesem Demokratie-Atlas verzeichnet: das einstige Wohnhaus des Liberalen Adam von Itzstein, wo sich zwischen 1832 und 1847 der „Hallgartener Kreis“ versammelte, dem unter anderen Heinrich von Gagern, Friedrich Hecker und Hofmann von Fallersleben angehörten und der die Nationalversammlung 1848 in Frankfurt zur Gründung der ersten deutschen Demokratie mit vorbereitete.

Nähere Informationen gibt die Stiftung auf ihrer Internetseite www.demokratie-geschichte.de. Die Präsentation ist im Grünen Salon des Jagdschlosses zugänglich. Im August soll sie ins Foyer des Schlosses umziehen.

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