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#Apothekerchefin im Interview: „Lauterbachs Angebot ist eine Mogelpackung“

Die Präsidentin des Apothekerverbands ABDA, Gabriele Overwiening, zeigt sich höchst besorgt über fehlende Schmerzmittel. Von Lauterbachs Vorschlägen gegen das Apothekensterben hält sie wenig.

Sie sind Apothekerin im Münsterland, macht der Beruf noch Spaß?

Mir macht er noch Freude. Wir Apothekerinnen und Apotheker sind ein freier Heilberuf und führen kein Geschäft, das Pullover verkauft. Unsere Kunden brauchen Hilfe, sie sind verletzlicher als andere. Für diese Menschen im direkten Kontakt da zu sein ist für mich eine große Sinnstiftung. Viele Patienten sehe ich immer wieder, das ist keine anonyme Versorgung.

Sind Apotheken nicht Geschäfte wie andere auch? Man hat den Eindruck, sie verkaufen immer mehr Kosmetika, Shampoos und Nahrungsmittel.

Das täuscht. 84 Prozent des Umsatzes und auch der größte Teil des Gewinns stammen von verschreibungspflichtigen Medikamenten. Nur 8 Prozent der Erlöse entfallen auf verschreibungsfreie Medikamente. Weitere 8 Prozent zählen zum Nebensortiment, wir sagen Freiwahl dazu, weil der Kunde die Waren selbst aus den Regalen nehmen kann. Das sticht sofort ins Auge, deshalb glaubt man, es wäre so wichtig. Aber das Verhältnis von Umsatz zu Ertrag ist sehr gering.

Trotz der berühmten Apothekenpreise?

Apothekenpreise sind eine alte Mär. Unser Hauptgeschäft sind rezeptpflichtige Arzneien zu staatlich festgesetzten Preisen. Von den rezeptfreien Medikamenten haben wir schon viele verloren, insbesondere an ausländische Versender.

Sind das Versandapotheken?

Man muss unterscheiden: An Apotheken in Deutschland, auch an deutsche Versandapotheken, werden strenge Anforderungen gestellt. Ausländische Versender sind etwas anderes, zum Beispiel Hochregallager in den Niederlanden an der Grenze zu Deutschland. Die beliefern nur deutsche Kunden, deshalb gelten für sie in den Niederlanden laschere Kontrollen. Auch die deutschen Behörden haben bei den Unternehmen keine Handhabe. Diese Anbieter werden also gar nicht kontrolliert – und dürfen trotzdem Millionen deutsche Patienten versorgen. Aus unserer Sicht ist das ein Riesenproblem.

Viele Apotheken geben hierzulande auf.

Leider ja, alle 16 Stunden schließt eine. Vergangenes Jahr haben 559 Standorte zugemacht, wir haben jetzt noch etwa 17.500 in Deutschland. Es wird immer wieder gesagt, dass in einer Straße drei, vier Apotheken stehen. Das gibt es natürlich in Ballungszentren mit vielen Ärzten. Aber die weißen Flecken auf der Landkarte werden immer mehr. Die Apothekendichte ist mit 21 Apotheken je 100.000 Einwohner um ein Drittel geringer als im EU-Durchschnitt. Schlimm wird es, sobald die Patienten nicht mehr wohnortnah versorgt werden. Diese Gefahr besteht, wenn Apotheken vor Ort weiter so ausbluten. Bundesweit gibt es schon etliche Postleitzahlbezirke ohne eine einzige Apotheke.

Der Rückgang überrascht. Eine Durchschnittsapotheke erwirtschaftete 2022 rund 3,2 Millionen Euro Umsatz, der Vorsteuergewinn betrug 163.000 Euro.

Der Umsatz steigt langsamer als die Kosten, sodass das Betriebsergebnis seit Jahren sinkt. Die veröffentlichten Durchschnittsdaten sind trügerisch: Nicht einmal zwei Drittel der selbständigen Kollegen erzielen ein Betriebsergebnis von mehr als 75.000 Euro im Jahr. 11 Prozent der Apotheken haben bereits ein defizitäres Ergebnis, weitere 15 Prozent haben ein Ergebnis unter 50.000 Euro. Da steht man sich im öffentlichen Dienst besser: Der Bruttolohn eines angestellten Krankenhausapothekers ohne Leitungsfunktion beträgt 75.000 bis 106.000 Euro im Jahr. Die Wahrnehmung ist grundfalsch, dass sich Apotheker in der öffentlichen Apotheke eine goldene Nase verdienen. Unser Aufwand für Personal, Miete, Energie und alles andere ist stark gestiegen, unser Grundhonorar aber hat sich seit zwanzig Jahren nicht erhöht.

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