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#Auch Politiker dürfen Fehler machen

Auch Politiker dürfen Fehler machen

Dass Andreas Scheuer sich bis zuletzt als Verkehrsminister halten konnte, ist eine kleine Sensation. Er hat sich einiges geleistet. Besonders teuer war seine Entscheidung, Verträge über die Pkw-Maut abzuschließen, ohne das Urteil des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Die Schadenersatzklagen belaufen sich auf 560 Millionen Euro. Seine eigene Bilanz bei der Amtsübergabe fiel aber durchweg positiv aus: „Ich gehe hier erhobenen Hauptes raus.“ Er hoffe auf Kontinuität, „weil die letzten Jahre gut waren“.

Angela Merkel hat in den 5860 Tagen im Kanzleramt ein einziges Mal öffentlich um Entschuldigung gebeten. Es ging um eine Petitesse: die Osterruhe, die sich die Ministerpräsidentenkonferenz in einer Nachtsitzung ausgedacht hatte und die sich dann nicht umsetzen ließ. Und sonst? In den Abschiedsinterviews wurde sie nach anderen umstrittenen Entscheidungen gefragt. Merkel erläuterte, warum es oft keine idealen Lösungen gibt. Aber unterm Strich lautete ihr Urteil stets: nein, keine Fehler.

Olaf Scholz hat zugegeben, dass er die Dimension der Gewalt beim G-20-Gipfel unterschätzt hatte. Da war er noch Hamburger Bürgermeister. Doch ansonsten habe er „ein reines Gewissen“, wie er im Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre sagte. Die Grünen sind immer erregt, wenn es um das Versagen anderer geht, aber die Plagiatsvorwürfe gegen das Buch von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock versuchte diese zunächst als „Rufmord“ abzuschmettern. Marco Buschmann, nun Justizminister von der FDP, hatte Ende Oktober, als die Infektionszahlen schon nach oben schossen, noch vom „kleinen Freedom Day“ gesprochen, in der Sache hat die FDP umgesteuert, die verheerende Wirkung der Worte aber nie zugestanden.

Mut, auch mal falsch zu liegen

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Fehler ist nicht gleich Fehler. Es gibt Politiker, die ihr Amt benutzen, um sich persönlich zu bereichern oder andere Straftaten zu begehen. Dafür sind die Gerichte zuständig. Hier soll es um Entscheidungen gehen, die Politiker für richtig oder zumindest vertretbar hielten, die sich im Nachhinein aber als falsch erwiesen. Baerbock hoffte, das Buch, für das sie keine Zeit hatte, gäbe ihr Rückenwind für die Kanzlerkandidatur. Buschmann dachte wohl, die vierte Welle werde so schlimm nicht werden. Sogar Scheuer hatte einen Grund: Er wollte ein Wahlversprechen einlösen. Eigentlich könnten Politiker solche Fehler erklären, es zumindest versuchen. Schließlich weiß man ja, dass sie auch nur Menschen sind, die unter großem Druck stehen. Politiker sprechen im Abstrakten gern über Fehlerkultur, doch sie zu leben, fällt es den meisten schwer.

Politik ist Kampf. Das kann man schon an der Terminologie ablesen, die im politischen Geschäft gebräuchlich ist: „Schlagabtausch“ im Parlament, die „Truppen“ eines Kandidaten, stets geht es um „Sieg“ oder „Niederlage“. Wer will da Schwäche zeigen? Nur wenn Selbstkritik „entwaffnend“ wirkt, wird sie mal taktisch eingesetzt. Doch normalerweise schützt man sich besser mit einem Schild gegen die Pfeile des politischen Gegners und des Parteifreunds – Letztere sind oft gefährlicher. Manche Medienberater sind noch kleinmütiger als die Politiker selbst. Und zuweilen mischen sich auch die Juristen ein und warnen davor, öffentlich zuzugeben, dass irgendetwas hätte besser laufen können.

Eingeständnis von Fehlern gilt als Schwäche

Robert Habeck von den Grünen hat mal versucht, aus diesem Denkmuster auszubrechen. Es gab eine Zeit, in der er sich ständig öffentlich „tierisch“ über sich ärgerte, über seinen Patzer bei der Pendlerpauschale etwa oder über missglückte Videos vor Landtagswahlen. Das kam anfangs gut an, erfrischend ehrlich. Habeck wurde aber bald klar, dass er mit den Entschuldigungen nicht übertreiben sollte. Im eigenen Wohnzimmer mögen viele Menschen auf notorische Rechthaber gern verzichten. Aber zu Gesprächen in den Kreml wollen sie keinen Softie schicken, sondern einen, der auf den Tisch haut.

Bei solchen Zuschreibungen werden Politiker zu Karikaturen. Wer gute Politik machen will, muss sowohl mitfühlen als auch sich durchsetzen können. Solange das Eingeständnis von Fehlern als Schwäche gilt, hat es gute Politik aber schwer. Es ist an der Zeit umzudenken. Für die großen Aufgaben braucht es den Mut, auch mal danebenzuhauen. Was richtig ist, weiß vorher niemand genau, aber die Angst, Fehler zu machen, lähmt. Die beste Idee kann nur gewinnen, wenn jeder in Erwägung zieht, dass die eigene schlechter sein könnte. Das Bestreben, den eingeschlagenen Weg zu korrigieren, ist Ausweis von Größe – so können Politiker erhobenen Hauptes gehen. Und ganz nebenbei: Auch für Frauen würde Politik attraktiver, wenn es dort weniger breitbeinig zuginge.

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