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#Aus Bornheim für die Banlieue

Aus Bornheim für die Banlieue

Bei den ersten Versen stehen die beiden Interpreten in einer professionell ausstaffierten Indoor-Cannabisplantage. Dann folgen in schneller Abfolge die Bilder einer Videocollage: eine finster dreinblickende Horde junger Männer in einer Unterführung, Abdi auf einem Esel. Ein Boxring, in dem zwei Jugendliche in Fußballtrikots einen Sparringkampf austragen. Pit Bull Terrier, ein Käfigfußballplatz in einer Wohnsiedlung. Immer wieder legt sich ein polaroidartiger Filter über das Bild. Das Videoformat in ein Quadrat mit schwarzer Umrandung. Schon in der ersten Videoauskopplung des „Mietwagentape II“ zur Single „IBB“ stellt das Rapduo Celo und Abdi klar: „Wir sind von damals noch“.

Die Ghetto-Ästhetik mit Retrobausteinen, derer sich die beiden Rapper bedienen, ist mittlerweile Standard in deutschen Rapvideos geworden. Die beiden Frankfurter haben sie – parallel zu ihrem damaligen Labelchef Haftbefehl – 2011 mit dem ersten „Mietwagentape“ in authentischer Ausführung nach Deutschland gebracht. Angelehnt ist sie an den französischen Gangsterrap. Der Esel etwa lässt sich als Hommage an den französischen Rapklassiker „Tonton du Bled“ der Pariser Gruppe 113 deuten.

Aber sie haben nicht nur die Optik des deutschen Straßenraps geprägt. Sie gehörten zu den ersten Künstlern, die migrantischen Slang und Elemente verschiedener Sprachen in ihre Texte einwebten und ihre Akzente musikalisch verwerteten.

Eine Zäsur in der hiesigen Hip-Hop-Landschaft

Wer verstehen will, was daran so revolutionär war, muss zurückblicken auf den Chartsturm des Rappers Capital Bra. Der Musiker hat seine osteuropäische Sprachfärbung zum Markenzeichen gemacht und  bedient sich mehrerer Sprachen in seinen Songs. Künstlern wie Capital Bra haben Celo und Abdi den Weg in den popkulturellen Mainstream geebnet. Vorher sah die Welt des deutschen Gangsterraps noch ganz anders aus.

Während sich in den Vorstädten von Paris und Marseille eine eigenständige Jugendkultur entwickelt hatte, deren musikalische und lyrische Ausprägung auch unter arabischen und afrikanischen Einflüssen stand, orientierten sich deutsche Rapper an der amerikanischen Hip-Hop-Kultur. Sie übernahmen die Codes New York und Los Angeles, rappten auf hochdeutsch oder in regionalen Dialekten, streuten hier und da eine türkische Vokabel ein. In den Banlieues setzte man auf Jeans von italienischen Designermarken, schwere Lederjacken von Chevignion und Trainingsanzüge europäischer Fußballclubs als Dresscode. Die Kluft der Deutschrapper bestand lange Zeit aus Baggys, XXL-T-Shirts und New-Era-Kappen.

Den ersten Versuch, einen Gegenentwurf zu diesem Look zu liefern, wagte Anfang des neuen Jahrtausends das Independent-Label „Aggro Berlin“ mit dem Rapper Bushido. Der Mitbegründer, Grafiker und Regisseur Eric Remberg, besser bekannt als Specter, gilt als Mitschöpfer der Kunstfigur Bushido. Specter, der einen Teil seiner Jugend in Paris verbrachte und vom dortigen Hip-Hop beeinflusst wurde, nahm Einfluss auf die Außendarstellung von Bushido, der auch noch nach seiner Zeit bei „Aggro Berlin“ den arabischstämmigen Gangster mit Boxerhaarschnitt und Bomberjacke mimte.

So war die deutsche Gangsterrapszene vor allem ein Hort wohl inszenierter Kunstfiguren. Bis zum Auftritt des Azzlack-Movements, das sich 2010 um Haftbefehl und Celo und Abdi formierte. Die wütenden, jungen Migrantenkinder sorgten mit ihren Tracks für eine Zäsur in der Hip-Hop-Landschaft. Sie schienen sich nicht darum zu scheren, ob der deutsche Durchschnittsjugendliche ihre Texte verstand, wenn sie arabische, berberische, kurdische, türkische und jugoslawische Ausdrücke rappten, Codewörter aus dem Drogenjargon und der europäischen Fußballszene übernahmen. Sie führten Rap auf einen seiner Ursprünge zurück: eine Ausdrucksform benachteiligter Randgruppen. Haftbefehl rappt in einem seiner Songs: „Das ist kein Deutsch/ Was ich mache, ist Kanakiş.“

Zwei Immigranten, fremd im eigenen Land

Die Künstlerin und Schriftstellerin Cemile Sahin hat kürzlich in einem Gespräch mit dieser Zeitung gesagt: „Es gibt einfach Dinge, an denen man arbeiten muss. Das sind so Sachen wie Identitätspolitik, das wird oft missverstanden, auch von den Deutschen. Ständig wird ein Opfermythos kreiert, nur weil Leute von woanders herkommen.“ Es geht um die Debatte, wie die Gesellschaft mit Migrationsgeschichten umgehen will. Für die Musik von Celo und Abdi ist die Erzählung vom Gastarbeiterkind, das wegen der gesellschaftlichen Umstände auf die schiefe Bahn geraten ist, eine grundlegende.

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