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#Beteigeuze schwächelt – Alpha Cephei

Beteigeuze schwächelt – Alpha Cephei

Beteigeuze, der linke Schulterstern des Orion, ist bekannt dafür, dass er der zur Zeit heißeste Kandidat für die nächste Supernova in Sonnennähe ist, der grundsätzlich jederzeit zwischen heute Nacht und in einer Million Jahren explodieren könnte. Nun hat der Stern seit dem vergangenen März 60% seiner Helligkeit eingebüßt – seine V-Helligkeit ist in einer mehr als 50 Jahre zurückreichenden Datenbank auf einem Allzeit-Tief und die Helligkeit stürzt derzeit weiterhin rapide ab. Fliegt uns der Stern demnächst um die Ohren?

 

Der rastlose Stern

Alpha Orionis, wie der Stern im Katalog von Johann Bayer heißt, ist ein roter Überriese, der ins Sonnensystem versetzt etwa bis zur Bahn des Jupiters reichen würde, aber in diesem riesigen Volumen von 1,5 Milliarden Sonnen nur 20 Sonnenmassen aufbringt – seine äußere Atmosphäre ist entsprechend dünn und der Stern, der groß genug ist, mit moderner Aufnahmetechnik flächig zu erscheinen, gleicht eher einer kosmischen Amöbe als einer Kugel. Er ist mit 3650 Kelvin vergleichsweise kühl und verdankt seine trotz einer Entfernung von rund 700 Lichtjahren immense Helligkeit alleine seiner Ausdehnung.

Gewöhnlich ist er der zweithellste Stern im Orion, mit rund 0,5m (zur Bedeutung dieser Schreibweise siehe hier) ein wenig dunkler als der mit 860 Lichtjahren ähnlich weit entfernte Rigel, rechts unten gegenüber im Orion, der es auf 0,1m bringt. Beide Sterne sind jedoch in der Helligkeit variabel, wobei Rigels Variation nur mit messtechnischen Hilfsmitteln beobachtet werden kann und erst 1930 entdeckt wurde.

Beteigeuzes Variabilität ist jedoch schon den australischen Ureinwohnern aufgefallen und sie haben diese in ihre mündlichen Überlieferungen beschrieben. Sir John Herschel war der erste westliche Astronom, der die Variabilität des Sterns 1836 beschrieb. Der Stern kann bis zu 0,0m erreichen und damit Rigel übertreffen – möglicherweise der Grund, warum Johann Bayer ihm und nicht Rigel den griechischen Buchstaben Alpha zuordnete, der normalerweise dem hellsten Stern eines Sternbilds gebührt. Er kann aber auch bis auf 1,5m herunter dimmen – eine Helligkeitsspanne von 1,5 Größenklassen entspricht einem Faktor 4 in der Strahlungsleistung! Die American Association of Variable Observers (AAVSO) zeichnet seit 1910 systematisch die Helligkeit von veränderlichen Sternen auf und verzeichnet für Beteigeuze ein Allzeit-Maximum von 0,2m in den Jahren 1933 und 1942 und ein Allzeit-Minimum von 1,2m in den Jahren 1927 und 1941. Vorgestern (17.12.2019) wurden mit einem V-Filter, der ungefähr die spektrale Empfindlichkeitskurve des Auges nachbildet, wieder 1,2m gemessen und ein AAVSO-Mitglied hat gestern Morgen mit bloßem Auge 1,5m geschätzt. Ich war gestern Abend kurz draußen und schätzte ihn einen Ticken heller als den rechten Schulterstern Bellatrix (1,6m) aber schwächer als Pollux in den Zwillingen (1,2m), die gegen 20:00 Uhr etwa gleich hoch am östlich-südöstlichen Himmel standen – somit also in der Gegend von 1,4m. Hier eine Lichtkurve der AAVSO für die letzten 300 Tage, wobei die schwarzen Kreise von menschlichen Beobachtern stammen und die grünen Quadrate Messungen im V-Band sind:

Lichtkurve von Beteigeuze über die letzten 300 Tage. Schwarze Kreise sind visuelle Schätzungen menschlicher Beobachter, grüne Quadrate sind photometrische Messungen mit einem V-Filter, der die spektrale Empfindlichkeit des Auges nachbilden soll. Bild: AAVSO, gemeinfrei.

Und dies sind die bis 1965 zurückgehenden V-Band-Messungen in der AAVSO-Datenbank:

V-Helligkeit von Beteigeuze für mehr als 50 Jahre – weiter zurück sind keine V-Daten gespeichert, sondern nur stärker variierende visuelle Beobachtungen. So dunkel wie jetzt war Beteigeuze in mehr als 50 Jahren nicht gewesen. Bild: AAVSO, gemeinfrei.

Rätselhafte Schwingungen

Die Variationen von Beteigeuze sind halbregelmäßig. Es gibt mehrere Perioden: eine dominante von ca. 420 Tagen, eine schwächere von 5-6 Jahren (ca. 2100 Tage) und eine kurzperiodische von 180 Tagen. Regelmäßige Pulsationen, wie sie etwa in noch größerem Maße vom berühmten Roten Riesen Mira bekannt sind,  können dadurch entstehen, dass in der Sternatmosphäre bei steigender Temperatur und Druck durch Ionisation die Opazität κ (griechisch Kappa) des Wasserstoffs schlagartig zunimmt. Opazität ist das Gegenteil von Transparenz: opakes Gas absorbiert mehr Strahlung als transparentes, was zu einer Erhöhung von Temperatur und Druck führt, was dann wiederum die Atmosphäre expandieren lässt. Dabei kühlt sie ab und der Druck fällt, so dass das Gas wieder transparenter wird, der Strahlungsdruck abnimmt, das Gas unter seinem Gewicht wieder zurück auf den Stern fällt und dabei wieder opaker wird und der Zyklus von neuem beginnt (der sogenannte κ-Mechanismus). Solche Pulsationen sind mit einer radialen (nach innen oder außen gerichteten) Bewegung des Gases verbunden, der Stern pulsiert also im Radius. Der Stern ist dann am hellsten, wenn die Temperatur am höchsten ist, was kurz nach dem kleinsten Radius der Fall ist, da die Leuchtkraft mit der vierten Potenz der Temperatur steigt, die abstrahlende Fläche aber nur mit dem Quadrat des Radius.

Bei Beteigeuze beobachtet man ebenfalls radiale Pulsationen, die jedoch mit den langen Perioden nicht gut korrelieren. Möglicherweise spielen hier andere Schwingungen eine Rolle, die wellenförmig den Stern umlaufen (sogenannte g-Moden). Eine Theorie besagt, dass im Zusammenspiel mit der Rotation des Sterns regelmäßig aufsteigende Konvektionszellen Hotspots auf der Sternoberfläche erzeugen, die einen signifikanten Teil des Sterndurchmessers ausmachen können und ihn somit heller erscheinen lassen.

Eine Verdunklung kann wiederum durch geringere Temperaturen in der äußeren Atmosphäre verursacht werden, wenn im Gas Titanoxid entsteht. Titan und Sauerstoff sind relativ häufige Elemente in Roten Riesen, die sich erst bei hinreichend niedrigen Temperaturen zu Molekülen zusammenfinden können, welche sehr effizient Licht absorbieren – Titanoxid wird beispielsweise in Sonnenschutzcreme verwendet. Tatsächlich wurde am 8. Dezember in einem astronomischen Telegramm vermeldet, dass man eine Abkühlung von Beteigeuze auf 3580 K mit verbreiterten Titanoxid-Banden im Spektrum beobachtet habe. Beteigeuze hat also anscheinend zur Zeit Sonnencreme aufgetragen.

Ganz genau weiß niemand, was die Variabilität von Beteigeuze verursacht, aber man kann davon ausgehen, dass sie ihre Ursache nicht tief im Inneren des Sterns hat, sondern in der dünnen Atmosphäre. Deswegen beobachten wir hier auch nicht etwa den nahenden Supernova-Ausbruch des Sterns – Michelle Dolan und Grant Mathews geben ihm in ihrer Arbeit aus dem Jahr 2016 noch 100.000 Jahre – sondern eher eine vorübergehende Störung in seiner Atmosphäre, die sicherlich die Aufmerksamkeit der Astronomen auf sich ziehen und zu weiteren Beobachtungen des Sterns führen wird.

 

Beteigeuze in flagranti erwischen

Dass sich am scheinbar unveränderlichen Fixsternhimmel etwas tut, kann man nicht alle Tage beobachten. Wer selbst einmal schauen will, findet den markanten Orion gegen 20 Uhr im Südosten – der aus drei ähnlich hellen Sternen bestehende Gürtel ist leicht zu finden. Besser wartet man bis gegen Mitternacht, wenn das Sternbild hoch im Süden steht. Man suche sich Sterne ähnlicher Helligkeit und schätze ab, zwischen welchen Sternen die Helligkeit von Beteigeuze liegt. Als Vergleichssterne bieten sich die Zwillinge Castor (1,6m) und Pollux (1,2m) an; Pollux ist von den beiden Sternen für uns Nordhalbkugler der untere, Castor der obere Stern, was man sich gut anhand des “U”s bzw. “O”s in der jeweils letzten Silbe ihrer Namen merken kann. Außerdem Bellatrix (rechte Schulter des Orion, 1,6m), Alnilam (mittlerer Gürtelstern, 1,7m) und Elnath, der zwar eigentlich Beta im Sternbild Stier ist, aber im 5-Eck des Fuhrmann gegenüber von der hellen Capella in etwa auf halber Strecke zu Beteigeuze steht (1,65m). Leider gibt es nicht allzu viele Vergleichssterne mit der Helligkeit von Beteigeuze. Aldebaran im Stier ist mit 0,75m-0,95m normalerweise gleich hell oder schwächer als Beteigeuze, jetzt jedoch deutlich heller.

Ansicht des Himmels Blickrichtung Süden gegen ca. 1h30. Die im Text genannten Vergleichssterne finden sich alle auf der Karte mit Namensmarken verzeichnet. Mit gelben Linien ist das Winter-Sechseck markiert. Bild: Autor, Stellarium.

Wer die Helligkeitsentwicklung des Sterns lieber am PC beobachtet, kann sich vom AAVSO hier die Lichtkurve ausgeben lassen. Als Sternname kann man “Betelgeuse” oder “ALF ORI” eingeben, dann bei “Select Bands” “vis” für visuelle Beobachtungen von AAVSO-Mitgliedern und/oder V für photometrische Messungen im V-Band anhaken. Als Zeitintervall wählt man einen Bereich des Julianischen Datums aus, wobei das “To Date” schon auf dem aktuellen Datum steht – man braucht nur beim “From Date” eine entsprechende Zahl von Tagen zurück zu rechnen, wobei das letzte Jahr als Vergleichszeitraum einen schönen Überblick bietet. Mit dem Button “Preferences” kann man sich die Kalenderdaten an der Zeitachse ausgeben lassen und die y-Achse skalieren.

Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Helligkeit des derzeit für Beobachtungen hervorragend am Abendhimmel platzierten Sterns weiter entwickeln wird und welchen Minusrekorden sie entgegen strebt.

 

Referenzen

 

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