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#Biontech wirbelt Finanzausgleich durcheinander

Biontech wirbelt Finanzausgleich durcheinander

Rheinland-Pfalz gehört zu den wirtschaftlichen Gewinnern der Corona-Pandemie. Aus einem vergleichsweise armen Bundesland wird ein überdurchschnittlich reiches. Es wechselt damit im Finanzausgleich die Seiten: Das traditionelle Nehmerland wird zum Geber. Noch liegen die endgültigen Zahlen für das vergangene Jahr noch nicht vor. Aber in den Finanzministerien der Länder ist es ein offenes Geheimnis: Rheinland-Pfalz ist Zahlerland. Nachdem es 2020 noch mit 334 Millionen Euro profitierte, musste es im vergangenen Jahr auf einen dreistelligen Millionenbetrag verzichten. Ende November standen dem Vernehmen nach auf seinem Geberkonto schon 155 Millionen Euro. Die Veränderung von insgesamt etwa 500 Millionen Euro dürfte wie in der Stadt Mainz allein auf ein Unternehmen mit seinen Steuerzahlungen zurückzuführen sein. Der Impfstoffhersteller Biontech, der in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres mehr als 7 Milliarden Euro Gewinn gemacht hat, sorgte schon in der Landeshauptstadt für einen unverhofften Geldregen: Gewaltige Gewerbesteuereinnahmen machten 2021 in der Stadtkasse aus einem erwarteten Defizit ein Plus von mehr als 1 Milliarde Euro.

Die Zahl der Geberländer ist traditionell überschaubar. Bayern, Hessen und Baden-Württemberg gehören erfahrungsgemäß dazu, Hamburg meistens. Nordrhein-Westfalen spielte früher ebenfalls stets ganz oben mit, war dann für einige Jahre abgestiegen, doch 2020 gehörte Düsseldorf wieder zur Spitzengruppe. 2021 stieg Rheinland-Pfalz auf, Nordrhein-Westfalen offenbar ab, wenn auch knapp.

Kometenhafter Aufstieg für Rheinland-Pfalz

Bayern hat nun schon eine Prognose vorgelegt. Danach hat der Freistaat im vergangenen Jahr abermals mehr als die Hälfte in den Finanzkraftausgleich der Länder eingezahlt. „Bayern ist größtes Zahlerland – nach jüngster Schätzung sowohl nach absoluten Beträgen mit rund 9 Milliarden Euro als auch in der Pro-Kopf-Betrachtung mit etwa 687 Euro pro Einwohner“, sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU) der Deutschen Presse-Agentur. Nach F.A.Z.-Informationen erhöhte sich die Zahllast Hessens im vergangenen Jahr um rund 1 Milliarde Euro gegenüber dem Jahr 2020 – auf nunmehr 3,55 Milliarden Euro. Die Pro-Kopf-Belastung wuchs damit von 410 Euro auf 566 Euro.

„Maßgeblich geprägt wird die Abrechnung vom kometenhaften Aufstieg von Rheinland-Pfalz zum Geberland im Finanzausgleich“, heißt es in den Kreisen der Länder. Insgesamt wurden nach Angaben des bayerischen Finanzministers rund 17 Milliarden Euro von finanzstarken zu armen Ländern umverteilt. 2020 waren es 14,8 Milliarden Euro. Damals hatte Bayern auf rund 7,8 Milliarden Euro verzichten müssen. Berlin war wie in den Vorjahren mit Abstand größtes Empfängerland. Der Hauptstadt flossen 3,5 Milliarden Euro zu.

Der Länderfinanzausgleich ist mit Wirkung für das Jahr 2020 neu geregelt worden. Er läuft nun komplett über die Umsatzsteuer. Die Zahlungen der Geberländer sowie die Einnahmen der Empfängerländer werden nicht mehr als solche in den jeweiligen Landeshaushalten offen ausgewiesen. Gleichwohl ist das System im Kern weitgehend gleich geblieben.

Eine Reform für einen gerechteren Finanzausgleich

Entscheidend für die neuen Zahlungsströme sind die jeweilige Finanzkraft und eine sogenannte Messzahl. Die Einnahmen der Gemeinden werden dabei etwas stärker als früher berücksichtigt. Wie im alten System wird die Anzahl der Einwohner für den Ausgleich korrigiert: Vor allem die Stadtstaaten werden aufgewertet, aber auch Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden künstlich ein bisschen bevölkerungsreicher gemacht, als sie in Wahrheit sind. Je nach Verhältnis zwischen Finanzkraftmesszahl und Ausgleichsmesszahl gibt es am Ende einen Zuschlag oder einen Abschlag bei der Umsatzsteuer. Die Kluft zwischen reichen und armen Bundesländern einschließlich Stadtstaaten wird so spürbar kleiner. Der Bund sorgt mit seinen allgemeinen Ergänzungszuweisungen dafür, dass die Spanne sich nochmals verengt.

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Wolfgang Scherf von der Justus-Liebig-Universität Gießen hat den Ausgleich kurz nach der Umstellung untersucht. Seine Schlussfolgerung lautet: Finanzschwache Länder erreichen im alten wie im neuen System fast identische Relationen zwischen Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl. Die Spanne bewegte sich nach seinen Angaben letztlich zwischen rund 98 und 108 Prozent. Sein Fazit: „Der Länderfinanzausgleich ist mit der Reform weder einfacher noch gerechter geworden.“ Die Verlagerung in die Umsatzsteuerverteilung habe die Intransparenz eher gesteigert. Auch sei die Ausweitung der Bundesergänzungszuweisungen kein Fortschritt. Insgesamt blieben die Defekte des Länderfinanzausgleichs nicht nur erhalten, sondern würden teilweise noch verstärkt. Gerade bei finanzschwachen Ländern lohnten sich eigene Bemühungen zur Erhöhung der Wirtschaftskraft und der Effizienz der Steuerverwaltung nicht mehr. Einschließlich Bundesergänzungszuweisungen werde ein „konfiskatorisches Niveau“ erreicht. Inwieweit diese These zutrifft, kann Scherf alsbald am Fall von Rheinland-Pfalz überprüfen.

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