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#Ein „Mietenstopp“ ist keine Lösung

Naivität? Verzweiflung? Oder sind es schon die Vorboten des nächsten Bundestagswahlkampfs? Wahrscheinlich steht eine Mischung aus alledem hinter dem jüngsten wohnungspolitischen Vorstoß der SPD. Einen „bundesweiten Mietenstopp“ fordert die Bundestagsfraktion, wobei sie Vermietern noch eine Erhöhung von sechs Prozent innerhalb von drei Jahren zugestehen will, bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete.

Eine solche Forderung mag populär sein, logisch ist sie nicht. Mehr als 700.000 Wohnungen fehlen Schätzungen zufolge in Deutschland. Wegen der Kriegsflüchtlinge aus der Ukra­ine ist der Bedarf an Wohnraum größer denn je. Zugleich beginnen Wohnungsunternehmen wegen der stark gestiegenen Baukosten kaum noch Neubauvorhaben, Projektentwickler melden Insolvenz an. In einer solchen Zeit das Vermieten nicht attraktiver, sondern unattraktiver zu machen – auf diese Idee muss man erst einmal kommen.

Mehr als die Hälfte der Bürger in Deutschland wohnt zur Miete, so viele wie in keinem anderen EU-Land. Eine Politik für Mieter zu machen gehört seit jeher zum Markenkern der Sozialdemokraten. Doch während es einem Politiker wie Hans-Jochen Vogel, einst Oberbürgermeister von München und später Bundesbauminister, vor allem um eine Reform der Bodenpolitik und günstigere Neubauten ging, haben sich die Gewichte immer mehr zur Bewahrung des Status quo verschoben. Die SPD versteht unter einer Politik für Mieter heute zuvorderst eine Politik für Bestandsmieter, also für diejenigen mit einem günstigen Altmietvertrag. Die Grünen sehen es ähnlich.

Wohin das führt, lässt sich nicht nur im Mietendeckel-geschädigten Berlin besichtigen, sondern auch in vielen anderen deutschen Städten: Wer eine Wohnung gemietet hat, gibt sie so schnell nicht wieder her. Wer eine sucht, konkurriert mit Hunderten Mitbewerbern um eine freie Wohnung. Und er zahlt im Zweifel auch Preise jenseits der Mietpreisbremse – Hauptsache, die elende Suche hat ein Ende.

Um 22 Prozent sind die inserierten Mieten in den Großstädten in den vergangenen fünf Jahren gestiegen. In Berlin zogen die Preise allein innerhalb des vergangenen Jahres um 20 Prozent an, auf im Schnitt mehr als 13 Euro kalt je Quadratmeter. In München sind knapp 19 Euro erreicht. Das erzeugt nicht nur Frustration, sondern ist auch volkswirtschaftlich schlecht. Aus beruflichen Gründen in eine andere Stadt ziehen? Lieber nicht, denken sich viele.

Bauen, Bauen, Bauen

Es ist offensichtlich, was gegen die Misere helfen würde: Bauen, Bauen, Bauen. Und das möglichst kostengünstig. Doch der Pragmatismus, mit dem in den Siebzigerjahren bis zu 800.000 neue Wohnungen im Jahr entstanden, ist von einem Perfektionismus abgelöst worden, der Neubau eher lähmt als fördert.

So energieeffizient, schallgedämmt und brandgeschützt wie hierzulande sind neue Häuser vermutlich nirgends. In Kombination mit den höheren Zinsen und Materialpreisen sei Neubau unter einer Kaltmiete von 18 bis 20 Euro je Quadratmeter nicht mehr möglich, rechnet der Verband der Wohnungswirtschaft vor. Mieten in dieser Höhe können aber die wenigsten bezahlen.

Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht

Statt der politisch erwünschten 400.000 neuen Wohnungen im Jahr hält die Baubranche nur noch 200.000 für realistisch. Die 540 Millionen Euro im Jahr, die Bauministerin Klara Geywitz (SPD) im Wachstumschancengesetz für die Bauwirtschaft aushandeln konnte, werden für eine Trendumkehr nicht reichen. Von der versprochenen Baukostensenkungsoffensive ist wenig zu sehen – auch weil Länder und Kommunen sich vom Bund nicht in ihre Vorschriften hineinregieren lassen wollen. Ginge es nach den Grünen, würden die Effizienzstandards für Neubauten 2025 nochmals verschärft.

Zuletzt war häufiger davon die Rede, wie der vorhandene Wohnraum besser verteilt werden könnte. Man müsse über den „Wohnflächenkonsum“, die gestiegene Quadratmeterzahl je Kopf reden, sagt die Bauministerin. Sie wirbt auch für den Umzug in Orte mit Wohnungsleerstand.

Die Grünen wollen Rentner mit Steuererleichterungen dazu bewegen, ihre Häuser an Familien zu vermieten. Schlägt dagegen ein Ökonom vor, die Bestandsmieten stärker steigen zu lassen, um für mehr Bewegung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen, ist das Entsetzen in der Politik groß.

Niemand will Zustände wie in London, Paris oder Amsterdam, wo Normalverdiener aus den Innenstädten verdrängt werden. Davon ist Deutschland mit seinem ausgeprägten Mieterschutz aber auch weit entfernt. Nicht jeder Haushalt, der mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für das Wohnen ausgibt, ist deshalb finanziell überlastet, auch wenn der Mieterbund es so darstellt. Ein „Mietenstopp“ löst die Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht. Auf mittlere Sicht würde die Lage für Mieter dadurch nur noch schwieriger.

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