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#Bundesarbeitsgericht: Unterschiedliche Nachtzuschläge sind rechtens

„Bundesarbeitsgericht: Unterschiedliche Nachtzuschläge sind rechtens“

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat am Mittwoch mehrere Verfahren zu dem Großkonflikt über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge entschieden. Gestritten wurde über die Frage, ob es mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist, wenn Beschäftigte unterschiedlich hohe Zuschläge be­kommen, je nachdem ob sie regelmäßig nachts im Schichtdienst arbeiten oder un­regelmäßig zur Schlafenszeit tätig sind. Es ging vor allem um Nachtarbeit in der Getränke- und Lebensmittelindustrie.

Das BAG sah in keinem der entschiedenen Verfahren Grund zur Beanstandung. In einem der Präzedenzfälle hatte eine Schichtarbeiterin gegen Coca-Cola in Brandenburg geklagt. In dem Rechtsstreit ging es um eine Tarifvertragsregelung, nach der für unregelmäßige Nachtarbeit ein Zuschlag von 50 Prozent je Arbeitsstunde zu zahlen ist – für regelmäßige Nachtarbeit dagegen nur ein Zu­schlag von 20 Prozent. Vereinbart war diese Regelung in einem Manteltarifvertrag, den der Verband der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten 1998 geschlossen hatten.

Ein sachlicher Grund muss gegeben sein

„Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes, wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist, der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss“, teilte das Gericht mit. Zulässig sei es, wenn mit dem höheren Zu­schlag neben den spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit auch die geringere Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes bei unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden solle. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang auf die Tarifautonomie.

Die Tarifvertragsparteien dürften mit einem Zuschlag für Nachtarbeit weitere Zwecke neben dem Schutz der Gesundheit verfolgen. Das angestrebte Ziel, den gelegentlichen Nachtarbeitern einen Ausgleich für schlechtere Planbarkeit zu gewähren, habe sich aus dem Manteltarifvertrag ergeben. Zur Differenz der Zuschläge von 20 Prozent für Schichtarbeiter und 50 Prozent für unregelmäßige Nachtarbeit, teilte das BAG mit: „Eine Angemessenheitsprüfung erfolgt nicht.“ Es liege im Ermessen der Tarifvertragsparteien, wie sie den Aspekt der schlechteren Planbarkeit ausgleichen.

Nicht nur eine Frage der Belastung

Die Klägerin war dagegen der Ansicht, es sei nicht rechtens, wenn sie im Schichtdienst nur Nachtzuschläge in Höhe von 20 Prozent bekomme, den Kollegen, die nur gelegentlich nachts arbeiteten, hingegen ein Zuschlag von 50 Prozent gezahlt werde. Diese Praxis verstoße gegen den Gleichheitssatz. Mit ihrer Klage verlangte sie die Differenz zu den höheren Zuschlägen. Regelmäßige Nachtarbeit im Schichtdienst sei noch belastender, als wenn man nur gelegentlich zur Schlafenszeit arbeite. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten fordert mittlerweile, „bei den Nachtzuschlägen für Gleichbehandlung zu sorgen“. Es gebe keinen Gewöhnungseffekt an Nachtarbeit, wie man inzwischen aus der Arbeitsmedizin wisse, sagte der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende, Freddy Adjan. Aber das Bundesarbeitsgericht habe nun entschieden, dass bei der Höhe der Nachtschichtzuschläge auch die Planbarkeit berücksichtigt werde. „Das müssen wir akzeptieren.“ Immerhin hätten Beschäftigte in Zukunft Klarheit.

Die Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss teilte mit, das Urteil bestätige „im Grunde die über viele Jahre in den unterschiedlichen Instanzen vertretene Rechtsauffassung der Arbeitgebervertreter“. Tarifvertragliche Differenzierung müsse zulässig sein. „Es macht einen Unterschied, ob jemand kurzfristig nachts arbeiten muss“, sagte Hauptgeschäftsführerin Stefanie Sabet.

Es bleibt ein hartnäckiges Streitthema

Das Arbeitsgericht Berlin war dieser Ansicht gefolgt und hatte die Klage der Schichtarbeiterin abgewiesen. Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte die Beschäftigte dagegen teilweise Erfolg. Das BAG hatte den Fall im Jahre 2020 zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es stelle sich die Frage, ob die unterschiedlichen Nachtzuschläge nach EU-Recht gleichheitswidrig seien. Doch der Gerichtshof in Luxemburg entschied 2022, für den Streit sei weder die EU-Arbeitszeitrichtlinie noch die EU Grundrechtecharta relevant.

Neben dem Coca-Cola-Fall entschied das BAG drei Verfahren zu tarifvertraglicher Nachtarbeit in der Nahrungsmittelindustrie: eines gegen den Lebensmittelkonzern Nestlé sowie zwei Fälle gegen Unternehmen der Milchindustrie, Friesland-Campina und Frischli Milchwerke. Die Vorinstanzen hatten die Klagen der Nachtarbeiter zuvor jeweils abgewiesen. Auch die Revisionen dieser Beschäftigten, die sich durch niedrigere Zuschläge ebenfalls in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt sahen, blieben am Mittwoch erfolglos.

Dem Bundesarbeitsgericht liegen noch rund 400 Revisionen zur ungleichen Be­zahlung von Nachtarbeit vor – so viele wie zu keinem anderen Streitthema. Bei den Arbeits- und Landesarbeitsgerichten sind dazu rund 6000 Verfahren anhängig. Den Streit­wert beziffert die Gewerkschaft auf „gut 50 Millionen Euro“. Rund 250.000 Beschäftigte seien potenziell von den Entscheidungen zu den Nachtzuschlägen betroffen.

Die Erledigung der Revisionsverfahren ist langwierig, da es zahlreiche unterschiedliche tarifvertragliche Regelungen zur Nachtarbeit gibt, die jeweils einzeln überprüft werden. Es bleibe abzuwarten, wie das BAG in den weiteren Fallkonstellationen entscheiden werde, heißt es von Arbeitgeberseite. Weitere Termine zum Thema Nachtarbeit hat das BAG für März, Mai und Juni geplant.

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