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#Dann eben ohne mein Shirt

„Dann eben ohne mein Shirt“

„Ich akzeptiere voll und ganz, dass die Politik sich aus dem Sport heraushalten sollte.“ Das sagte Ilia Kovtun aus der Ukraine bei der Turn-WM in Liverpool, wo er an diesem Freitag im Mehrkampffinale startet. Zuvor hatte sich Folgendes ereignet: Im Podiumtraining hatte Ilia Kovtun ein gelb-türkises T-Shirt mit der Aufschrift „No war“ getragen.

Bei diesem vorgeschriebenen Übungsdurchgang an den Originalgeräten in der Wettkampfhalle sind zwar keine Zuschauer zugelassen, doch neben den Kampfrichtern dürfen sich auch Pressevertreterinnen und Fotografen bereits ein Bild machen. Das Foto mit dem T-Shirt machte schnell die Runde. Dann, so erzählt es Kovtun, hätten Vertreter des Internationalen Turner-Bundes (FIG) „auf freundliche Art und Weise darum gebeten“, er möge das T-Shirt nicht noch einmal tragen.

Unpolitische Funktionäre?

Dieser Bitte komme er nach, nicht zuletzt, um auszuschließen, dass seine persönliche Aktion negative Folgen für sein Team haben würde. Auf die Frage, ob er im Vorfeld geprüft habe, ob sein Auftritt laut Reglement irgendeine Sanktion nach sich ziehen könnte, lacht er: „Njet!“ FIG-Generalsekretär Nicolas Buompane erklärte zur Frage, ob besagtes T-Shirt den Verhaltenskodex des Verbandes – der explizit politische Statements während des Wettkampfes untersagt – verletze: „Obwohl wir mit der Botschaft einverstanden sind, wollen wir so etwas nicht noch einmal erleben. Wir haben mit dem Delegationsleiter gesprochen, um sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert.“

2021 gewann Ilia Kovtun Bronze bei der Europa- und bei der Weltmeisterschaft, mit der ukrainischen Mannschaft belegte er den siebten Rang im olympischen Teamfinale. In Liverpool landete das Team auf Rang 21 von 24. Der Mehrkampf ist für Kovtun das einzige Finale. Er sei trotzdem zufrieden: „Unter den gegebenen Umständen war es das, womit wir rechnen konnten.“ In den vergangenen vier Monaten trainierte das Team in Kroatien, zuvor eine Weile im italienischen Ferrara, Kovtun startete für Monaco in der französischen Liga.

Weltverbandspräsident Morinari Watanabe:  „Ich vermisse die russischen und weißrussischen Turner, die nicht hier sind“.


Weltverbandspräsident Morinari Watanabe: „Ich vermisse die russischen und weißrussischen Turner, die nicht hier sind“.
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Bild: dpa

Zu Hause im zentralukrainischen Tscherkassy war er seit dem 24. Februar nicht mehr. Den Kriegsausbruch erlebte er in Cottbus, beim Weltcup. Im August ist er 19 Jahre alt geworden, und in München Vize-Europameister am Barren. Teamkollege Igor Radivilov aus Mariupol hat zuletzt vor allem in Cottbus trainiert, wo er seit Jahren das Bundesligateam verstärkt.

Aktive aus Russland und Weißrussland sind in Liverpool nicht am Start. Ob sie aus sportlicher Sicht fehlen, ist eine Frage der Perspektive. FIG-Präsident und IOC-Mitglied Morinari Watanabe gab bei der Eröffnungspressekonferenz ein Statement zur „russisch-ukrainischen Angelegenheit“ ab: „Ich vermisse die russischen und weißrussischen Turner, die nicht hier sind. Die FIG darf sie nicht starten lassen, wir müssen die IOC-Regeln beachten.“ Den ukrainischen Turnverband habe die FIG „massiv unterstützt“, mit insgesamt 400.000 Schweizer Franken. „Damit die russischen und weißrussischen Turner bald wieder bei uns sind, bedarf es der Koordination.“

Die Frage, ob Russland – 2021 in Tokio Teamolympiasieger bei Männern und Frauen – in Paris 2024 beziehungsweise bei der entscheidenden Qualifikations-WM im nächsten Jahr dabei sein wird; ob nicht längst an einer ‚Lex Russia’ gebastelt wird, wird in Liverpool vielerorts debattiert. DTB-Präsident Alfons Hölzl kann es sich „momentan nicht vorstellen, dass Russland tatsächlich an den Olympischen Spielen teilnimmt“. In Liverpool sind auch keine russischen oder weißrussischen FIG-Funktionäre oder Kampfrichter am Start, Großbritannien verwehrt ihnen derzeit ein Visum. Ausnahme ist die Vize-Präsidentin Nellie Kim, offiziell aus Weißrussland, aber seit Jahrzehnten in den USA beheimatet.

Kongress nach Istanbul verlegt

Das wird in der kommenden Woche beim FIG-Kongress anders sein; immerhin dafür hat Morinari Watanabe sorgen können. Nachdem der norwegische Verband, ursprünglicher Ausrichter des Kongresses, mitteilte, man werde keine Vertreter aus Russland und Weißrussland zulassen, wurde der Kongress kurzerhand nach Istanbul verlegt. Watanabe erklärte im September, die Funktionäre – es werden rund 450 Teilnehmer aus 150 Ländern erwartet – seien „Vertreter des Sports“ und nicht „Abgeordnete ihrer Länder“. Norwegen optierte als erster Verband für einen Boykott des Kongresses, es folgten die Ukraine, Estland, Polen und zuletzt Italien.

Alfons Hölzl sagt, er habe „Respekt und Achtung“ für jene Länder, die sich für einen Boykott entschieden haben. Der DTB seinerseits habe sich „dafür entschieden“, am Kongress teilzunehmen: „Weil ich glaube, dass es gerade jetzt wichtig ist, unseren Blick auf die Gesamtsituation auch politisch einzubringen.“ Seine persönliche Haltung sei allerdings eine andere als die des FIG-Präsidenten: „keine Athleten und keine Funktionäre“, aber man sehe ja aktuell, „dass das nicht mehrheitsfähig ist“. Hölzl findet es „absolut nachvollziehbar“, dass sich der ukrainische Verband unter diesen Umständen zu einem Verzicht gezwungen sieht.

Auch der deutsche Aktivensprecher Lukas Dauser findet es „richtig, dass momentan keine russischen Turner zugelassen sind“ und entsprechend „extrem widersprüchlich“, dass nun russische Funktionäre zum Kongress reisen. Mit Igor Radivilov, der zuletzt auch mit im Trainingslager in Kienbaum war, habe er seitdem auch persönlich mehr Kontakt, am Sonntag stehen sie beide in einem WM-Finale. Ilia Kovtun möchte mit seinem Mehrkampf vor allem, seinen Landsleuten „eine Freude machen“, ihnen „vielleicht etwas Hoffnung geben“ – ohne T-Shirt, mit einem guten Wettkampf oder vielleicht sogar einer Medaille.

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