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#Das Altern der Moderne

Das Altern der Moderne

Vor allem nachts sieht man schon von weitem, dass sich etwas geändert hat. Wenn man sich am Berliner Landwehrkanal auf das Kulturforum zubewegt, leuchtet die Neue Nationalgalerie so klar und neu, als sei sie gerade eben und nicht vor über einem halben Jahrhundert errichtet worden: Die großen, spiegelfreien Scheiben wirken, als seien sie gar nicht da. Das Licht, das aus dem Bau in die Nacht fällt, strahlt heller als bisher. Die Renovierung des von 1965 bis 1968 errichteten Museumsbaus war eine der aufwendigsten dieser Art, das Ergebnis war mit Spannung und auch Sorge erwartet worden: Kann man ein Bauwerk, dessen gleichzeitig monumentale und filigrane Wirkung an kleinen Details, an Materialien und Proportionen hängt, auf aktuelle Sicherheits- und Energiestandards bringen, ohne dass es plötzlich dickbeinig und klobig wie seine mit Dreifachverglasungen und Wärmedämmungen eingemummten kleineren Vettern dasteht?

Der zweigeschossige Bau ist nicht irgendein Museum, sondern einer der schönsten Bauten der Moderne – und der einzige, den der letzte Direktor des Bauhauses, Mies van der Rohe, nach seiner Emigration in Deutschland errichtet hat. Es war vor allem dem charismatischen Berliner Stadtbaudirektor Werner Düttmann zu verdanken, dass der mittlerweile in Amerika lebende Mies den Auftrag überhaupt annahm – aber er tat es auch, weil Berlin ihm Freiheiten gab, die jeden heutigen Architekten vor Neid erblassen ließen: Vorgaben gab es so gut wie keine.

Mies entwarf einen seiner klassischsten Nachkriegsbauten, eine Art modernen Parthenon, der auf einem riesigen Sockel thront. In diesem granitverkleideten Sockel versteckt sich das eigentliche, eher traditionell angelegte Museum, in das man nur gelangt, wenn man über eine große Außenfreitreppe auf die weite Terrasse steigt und dann die riesige, neun Meter hohe und komplett verglaste, im Inneren völlig stützenfreie Halle betritt. Diese Halle – von den Ausmaßen her ein öffentlicher Platz, über den sich ein von acht Stahlstützen getragenes, 65 mal 65 Meter großes Flachdach spannt – ist das eigentliche Herzstück dieses Museums, das aus zwei von ihrer Atmosphäre her völlig unterschiedlichen Bauten besteht: unten die Raumfolge relativ kleiner, manchmal fast intimer Schausäle, die sich nur zu einem klösterlichen Hortus conclusus öffnet; oben eine der größten Hallen, die moderner Kunst bis dahin gewidmet wurden und die wie eine Behauptung im Raum steht, dass Kunst eine öffentliche Sache sei und aus dem White Cube in die Stadt und das Alltagsleben der Bürger abstrahlen möge. Aus dieser Halle steigt man dann wie ein Archäologe in die Tiefen der unteren Geschosse, zu einem anderen Kunstbegriff hinunter.

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Zusammen mit der Philharmonie, der Staatsbibliothek und Gemäldegalerie hatte sich die bundesrepublikanische Nachkriegsgesellschaft hier ein Museion im antiken Sinn des Wortes gebaut, einen Tempelbezirk, in dem andere Regeln galten, andere Erfahrungen gemacht werden konnten als auf der Agora. Auch so gesehen war ein moderner Parthenon der Kunst eine passende Form für den Ort. Aber wie alle griechischen Träume, die zu sehr auf märkischen Sand und in die von Russland wehende Kälte des Berliner Winters geraten, gab es hier bald Probleme: Wenn man unten die Türen zu dem wunderbaren und manchmal für legendäre Konzerte genutzten Innenhof öffnete, wurden Kunstwerke von Feuchtigkeit und ungünstigen Temperaturen bedroht, in der großen Halle rissen aufgrund der Temperaturschwankungen die Scheiben, Kondenswasser rann die Fenster herunter und nahm dem Glasbau viel von seiner Transparenz; der Brandschutz entsprach schon längst nicht mehr den aktuellen Vorschriften.

Vor sieben Jahren beauftragte man den britischen Architekten David Chipperfield, der schon den Wiederaufbau des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel verantwortete, mit der Renovierung des Mies-Baus. Sie kostete 140 Millionen Euro – gar nicht so viel für ein Großkulturprojekt in Berlin, wo man sich mittlerweile daran gewöhnt hat, dass alle größeren Projekte jeweils eine halbe Milliarde kosten müssen, aber immer noch eine Summe, für die sich andere Städte ganze Museen errichten.

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