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#„Das Erklärende ist etwas hinten runtergerutscht“

Für Außenministerin Annalena Baerbock beginnt der Dienstagabend direkt mit einem heiklen Thema. Die Grünen-Politikerin, gerade zurück aus New York, sitzt in einem gut gefüllten Saal im F.A.Z.-Tower in Frankfurt und stellt sich den Fragen des Publikums. Mehr als 160 Männer und Frauen – sowohl ältere als auch jüngere – sind zur Veranstaltung „F.A.Z. im Dialog“ ins Frankfurter Europaviertel gekommen. Wer keinen Platz mehr vor Ort ergattern konnte, verfolgt die Diskussion per Livestream – bereits nach 24 Stunden war der Abend, moderiert von Außenpolitikchef Nikolas Busse, ausgebucht.

Ob man ihre Art, im Ausland für „unsere“ Frauen- und Menschenrechte zu werben, nicht als eine Form des Neokolonialismus verstehen könne, will ein älterer Zuhörer wissen, der sich als Kulturwissenschaftler vorstellt. Die Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kämen, frage man hingegen kaum nach ihrer Einstellung zur Demokratie, kritisiert er. Das sei ein „Kontrast zwischen Missionierung draußen und ,Laissez Faire‘ nach innen“.

„Gute Frage“, befindet ein anderer Zuhörer im applaudierenden Publikum – Annalena Baerbock selbst gefällt sie offensichtlich nicht ganz so gut. „Meine knappe Antwort ist: Nee, ich mache, glaube ich, genau das Gegenteil“, sagt sie. Dann holt sie doch noch etwas weiter aus. Sie fahre nicht in andere Länder, um zu erklären, „wie wir das eigentlich mit der Welt halten“, sondern um zu sehen, wie andere Länder mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umgingen. Grundlage für ihre Gespräche sei dabei immer die Charta der Vereinten Nationen – und genau daran zeige sich doch, dass es eben nicht um „unsere“ Werte gehe, sondern die allgemeinverbindliche Erklärung der Menschenrechte, der sich alle Staaten angeschlossen hätten. Auch mit Blick auf Einwanderer in Deutschland ist die Außenministerin anderer Meinung: In Integrationskursen spiele das deutsche Grundgesetz, das Bekenntnis zur Demokratie und das „Zusammenleben in unserem Land“ eine große Rolle. „Ich halte das für total wichtig, und fand es deswegen auch nicht richtig, dass man insbesondere bei den Integrationskursen nach 2019 wieder gekürzt hat“, so die Außenministerin.

„Also, kann ich jetzt eine Gasheizung kaufen oder nicht?“

Bei der nächsten Frage hat sie es schon einfacher. Eine jüngere Zuhörerin fragt nach der „Feministischen Außenpolitik“, Baerbock erläutert die drei „R“ (Rechte, Repräsentation, Ressourcen) und erzählt eine kleine Anekdote von ihren Reisen: Wenn sie einer Delegation voller Männer gegenübersitze, bekomme schon mal Sprüche wie diesen zu hören: „Schön, dass Sie für die Schönheit hier im Raum gesorgt haben“. Ihre Antwort sei dann: „Ja, und zum Glück auch für ein bisschen Intelligenz.“ Das Publikum lacht, die Stimmung ist gelöst.

Beim nächsten Thema wird Baerbock dann etwas selbstkritischer. Regierungen hätten die Verantwortung, ihre Entscheidungen zu erklären und ihre Abwägungen verständlich zu machen, sagt sie auf die Frage eines Zuhörers nach der „richtigen Führung“. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hätten viele Menschen lernen müssen, dass „Demokratie nicht vom Himmel gefallen ist, sondern dass wir sie im Zweifel jeden Tag wieder erlernen müssen.“ Das müssten Politiker reflektieren – und der Gesellschaft auch ausreichend kommunizieren. „Da würde ich selbstkritisch sagen, dass uns das etwas abhandengekommen ist“, so Baerbock, denn insbesondere seit Beginn des Kriegs in der Ukraine laste „ein hoher Stressfaktor“ auf der Politik. „Das Erklärende ist dann etwas hinten runtergerutscht.“

Nach einer Erklärung fragt auch ein Zuhörer, der vom Bodensee angereist ist und sich bei Themen wie dem Heizungsgesetz, der Sterbehilfe oder der Wahlrechtsreform kaum noch zurechtfindet. „Also, kann ich jetzt eine Gasheizung kaufen oder nicht?“, will er von der Außenministerin wissen. Baerbock äußert Verständnis für die Kritik – fordert aber auch Verständnis für die Arbeit der Regierung ein: Die komplette Energieversorgung innerhalb von einem Jahr umzustellen, sei „eben auch kein Ding, was man mal eben so nebenbei macht, sondern wir müssen das gerade unter Hochdruck machen. Sozusagen eine Operation am offenen Herzen – live vor der Kamera.“ Eine konstruktive Diskussion über Sachfragen sei da nicht immer möglich gewesen.

Eine sehr konkrete Frage stellt auch ein älterer Herr, der sich seit Jahren für die deutsch-tschechische Freundschaft einsetzt und wissen will, warum die Bundesregierung die Zuschüsse für seine Projekte gestrichen hat. Baerbock kann darauf freilich keine direkte Antwort geben – kommt dafür aber auf das Thema Versöhnung zu sprechen, das sie für „aktueller und dringender denn je“ hält. Auch mit Blick auf die polnische Forderung nach Reparationszahlungen müsse man sich – bei aller Kritik – die Frage gefallen lassen, ob man dem Leid der Polen zur Zeit des Warschauer Aufstands genug Aufmerksamkeit gewidmet habe. „Das ist ein Kapitel, das noch nicht abgeschlossen ist und nie abgeschlossen sein wird“, so Baerbock, denn Versöhnungsarbeit sei „immer wieder ein neuer Auftrag“. Besonders mit Blick auf jüngere Generationen, die vieles für selbstverständlich hielten, sei das wichtig.

Erst gegen Ende der etwa 75-minütigen Diskussion wird die Außenministerin dann schließlich nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gefragt, der ansonsten eher am Rande eine Rolle spielt. Wie sich denn „gelingende Kommunikation“ mit Akteuren wie Wladimir Putin oder Sergeij Lawrow umsetzen lasse, will ein Zuhörer wissen. Für die Außenministerin ist die Antwort klar: „Indem der brutale russische Angriffskrieg beendet wird.“

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