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#Das Prinzip Zufall als Kurator

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Das Prinzip Zufall als Kurator

Was haben die „Heddemer Käwern“ von 1900 und das Weihedenkmal für die Dea Candida um 200 nach Christus miteinander zu tun? Nichts – oder alles. Dass sie beide aus Heddernheim stammen, sieht man ihnen jedenfalls auf den ersten Blick nicht an. Man könnte sogar glauben, der antike Kopf nebenan gehörte zu dem Göttinnen-Torso. Der aber saß einst auf dem Körper eines jugendlichen griechischen Athleten, der gleich nebenan zu sehen ist.

Das Prinzip Zufall hat sie zusammengeführt und 37 weitere Gegenstände dazu. Die Notation von John Cages „Museumcircle“ aus dem Jahr 1991 lautet: „Im Museum (einer bestimmten Stadt) eine Ausstellung von Objekten aus anderen Museen (derselben Stadt) zu machen, die an zufällig bestimmten Positionen gehängt oder platziert werden. Um das zu er­reichen, stellt jedes Museum etwa ein Dutzend Gegenstände zur Verfügung. Aus diesen potentiellen Quellen werden durch Zufallsoperationen die tatsächlich zu verwendenden Exponate ausgewählt.“

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In Frankfurt hat am Museum für Moderne Kunst (MMK) Kurator und Sammlungsleiter Mario Kramer jetzt erst das dritte Mal seit der Erfindung des „Museumcircle“ das Cage-Prinzip auf eine Ausstellung angewandt. Nach dem Debüt in München war der „Museumcircle“ nur noch einmal 1993 in Los Angeles gezeigt worden.

Von Archäologisches Museum bis Zeilsheimer und Geschichtsverein hat Kramer 40 Frankfurter Museen und Sammlungen gebeten, jeweils eine Liste von zehn Objekten einzureichen. Mit einem zweifachen Zufallsverfahren ist dann erst ein beliebiges Objekt ausgewählt und per Los im Raum verteilt worden. Diese Mischung aus spielerischem Zufallsvergnügen und der Strenge einer musikalischen Komposition macht den großen Reiz des Verfahrens aus, das im Grunde aller musealen und kuratorischen Arbeit zuwiderläuft – und dann doch wieder nicht.

Mit Würfeln und Münzen experimentiert

Cage (1912 –1992), den die meisten zuallererst mit seinen musikalischen Kompositionen verbinden, hat gewissermaßen eine Komposition für ein Museum vorge­geben, die das MMK nun in seinem Zweitgebäude, dem Hauptzollamt, aufgebaut hat. Ein genau 30 Jahre altes Werk, mit dem das MMK jetzt auch gewissermaßen diskret an seine eigene Eröffnung vor 30 Jahren erinnert – mit einer erstmaligen Kooperation der meisten Frankfurter Museen.

Prinzip Zufall: Der „Museumscircle“ versammelt Goethe, Locke und ein Diorama von Ernst Kahl und Rosemarie Trockel.


Prinzip Zufall: Der „Museumscircle“ versammelt Goethe, Locke und ein Diorama von Ernst Kahl und Rosemarie Trockel.
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Bild: MMK/Fotos Axel Schneider

Cage, der von Duchamps inspiriert war, das seinerzeit sehr beliebte „I Ging“, das altchinesische „Buch der Wandlungen“, studiert hatte und das Prinzip des Zufalls in Musik, Zeichnung und Komposition anwendete, hatte erst mit Würfeln und Münzen, mit verschiebbaren Rastern experimentiert. Das Los und das Raster hat nun auch das MMK für die Ein­richtung der Objekte verwendet – und es ist ausgesprochen reizvoll, die im Begleitheft der Ausstellung verzeichneten Listen der einzelnen Museen zu studieren: Es hätte auch alles anders kommen können. Mit dem Komponisten Andrew Culver hatte Cage dann in den späten Siebzigerjahren einen sogenannten „Random Generator“ entwickelt, ein computergeneriertes Zufallsprotokoll. Dessen Zahlenkolonnen, nun abgebildet auf den Ausstellungsplakaten, hat Kurator Kramer abgestrichen, um nach den Zahlen die Exponate im Raum aufzustellen.

Dass sie von Niko Kovacs Anzug, getragen beim Pokalfinale der Eintracht 2018, bis zu Goethes Locke aus dem Goethe-Museum oder der Falkeisen-Bibel aus dem Bibelmuseum reichen, dazwischen die Telefonschafe von Jean-Luc Cornec aus dem Museum für Kommunikation so aussehen, als seien sie schon immer da gewesen, erzeugt witzige neue Bezüge, Staunen und auch Lust, den anderen Orten ebenfalls bald wieder einen Besuch abzustatten. Dass Kramer von Cages Nachlassverwaltung erfuhr, der Komponist habe sich gewünscht, den „Museumcircle“ mit Shakermöbeln und viel Grün zu präsentieren, hat nun zu einer regelrecht gemütlichen Einrichtung mit viel Holz geführt, inklusive mehrerer Schachspiele an Tischen und einer kleinen Cage-Bibliothek, die zum Lesen, Spielen, Weiterdenken einladen. Und ein Cage-Konzert soll es im Januar auch geben.

Die Ausstellung „John Cage Museumcircle“ ist bis 20. März 2022 im MMK Hauptzollamt zu sehen, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18, Mittwoch bis 20 Uhr.

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