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#Den Treiber in Quarantäne schicken

Den Treiber in Quarantäne schicken

Der Zusammenhang von Ursache und Wirkung kann den Menschen gelegentlich überfordern. Es passieren dann Dinge, die zwar vorhersehbar sind, aber doch vollkommen überraschend kommen. Wer in der Schule beim Spicken erwischt wird und sich danach beim Banknachbarn über die unerwartete Findigkeit des Aufsichtslehrers beschwert, kann sich eigentlich freuen. Er oder sie ist immerhin früh mit einer grundlegenden Ungerechtigkeit des Lebens vertraut gemacht worden.

Kim Björn Becker

Vor weiteren Enttäuschungen im Erwachsenenalter schützt das leider selten. Weil die Ausübung des aktiven Wahlrechts gemeinhin als Ausgang des Menschen aus seiner selbst unverschuldeten Unmündigkeit gilt, lohnt der Blick auf die Ergebnisse politischer Wahlen. Sie bestätigen, dass selbst erfahrene Wähler noch mit Staunen darauf reagieren, dass die Ursache (sie wählen einen Kandidaten) eine Wirkung (der Kandidat gewinnt) erzielen kann. Anfang des Jahres wurde das in Thüringen deutlich, wo der Landtag tatsächlich den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten machte. Und dann furchtbar darüber erschrak.

Nun wäre es leichtfertig, zu glauben, dass das Ursache-Wirkungs-Paradoxon ausgerechnet in Zeiten von Corona an Bedeutung verloren hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Und das Virus bleibt uns wohl noch eine Weile erhalten. Abwählen kann man es ja nicht. Das funktioniert nicht einmal bei irrlichternden Kandidaten des Politischen reibungslos, wie man derzeit in Amerika sieht. Um die Amtszeit von Corona wenigstens zu verkürzen, ist eine Verfassungsänderung in Gestalt eines Impfstoffs nötig. Alternativ könnte Susanne Hennig-Wellsow natürlich versuchen, dem Erreger einen Blumenstrauß vor die Füße zu werfen. In Thüringen führte das bekanntlich dazu, dass Kemmerich bald darauf nicht mehr Ministerpräsident war.

Bis es so weit ist, offenbart sich im Reden über die Pandemie die eigentliche Haltung der Menschen zu dieser Seuche. Und die Sprache der Pandemie gibt durchaus Bemerkenswertes preis. Der Begriff „Infektionsgeschehen“ hat sich in den vergangenen Monaten geradezu virusartig mutmaßlich von den Virologen in die Gesellschaft ausgebreitet, so dass inzwischen fast alle davon reden. Der aufhaltsame Aufstieg der Pandemie hat damit einen Grad der Unveränderlichkeit angenommen, den Angela Merkel zu früheren Zeiten, ohne mit der Wimper zu zucken, als „alternativlos“ bezeichnet hätte. Das in Rede stehende Infektionsgeschehen würden die meisten Zeitgenossen zwar zweifellos gerne ungeschehen machen. Dass dafür aber auch etwas geschehen muss, wollen manche nur leider nicht wahrhaben – am wenigsten übrigens jene, die für sich das Privileg in Anspruch nehmen, querdenken zu können.

Wenn man also schon das Land nicht vor einem zweiten Lockdown bewahren konnte, dann wäre dieser Herbst zumindest ein geeigneter, um die Sprache auf weitere Risikokontakte dieser Art zu testen und die betroffenen Begriffe notfalls bis auf weiteres in Quarantäne zu schicken. Ein sonst zweifellos recht kluger Arzt aus dem Norden sprach kürzlich öffentlich über das Problem, dass es auf dem Papier zwar Tausende Betten auf den Intensivstationen gibt, es den Krankenhäusern aber an Pflegern fehlt. Er sagte das natürlich nicht so. In der Sprache des Lungenarztes fehlte es an Personal, um die Betten zu „bepflegen“. Ob es eine wirksame Intensivbehandlung gegen die auftretende Schnappatmung gibt, die wohl jeden befällt, der die deutsche Sprache nicht gerade verachtet, ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung.

Dass das Sprachgeschehen in Sachen Corona unbedingt intensiver bepflegt werden muss, zeigt ein dritter Übergriff. Im Frühjahr war noch die Frage erlaubt, wo sich die Leute eigentlich anstecken. In fachkundigen Kreisen sagt man das heute ganz anders. Im Corona-Herbst gilt es, die „Treiber“ der Pandemie zu identifizieren. Wer bei dem Wort an den jüngsten Versuch denkt, die neue Webcam für den nächsten Zoom-Call an den heimischen Computer anzuschließen (Faustregel: Wenn das Bild schwarz bleibt, liegt’s entweder am Kabel oder halt am Treiber), darf sich ob seiner Unbefangenheit glücklich schätzen. Er oder sie hatte vermutlich noch nicht die Pflicht, eine sogenannte Studie einer internationalen Unternehmensberatung zu lesen. Das Thema der Expertise ist übrigens egal. Einen Kostentreiber findet der geneigte Consultant schließlich überall.

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