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#„Der Fall Marianne Voss“ im ZDF: Ein FKK-Tempel sollte sein Vermächtnis sein

„Der Fall Marianne Voss“ erzählt von einem ehemaligen Bürgermeister, der seine Frau ermordet haben soll. Er wird zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Film folgt einem realen Vorbild.

Ein sozialdemokratischer Bürgermeister im Osten – das ist eine Paraderolle für Jörg Schüttauf, der wenige Monate nach dem Mauerbau in Karl-Marx-Stadt geboren wurde, als DDR-Schauspieler anfing und seit einigen Jahren in einem Örtchen bei Potsdam lebt. Bekanntheit erlangte er natürlich als Goethe-Freund „Lenz“, „Fahnder“ in den Fußstapfen Klaus Wennemanns und als Frankfurter „Tatort“-Kommissar Dellwo.

Aber Schüttauf war eben auch der Oberbürgermeister von Leipzig in „Bad Banks“, ein Provinzbürgermeister in „Das Mädchen mit den goldenen Händen“, der Dorfbürgermeister in „Unterleuten“ oder auch, ein Stadtlenker der anderen Art, der Hallenser Großunternehmer in „Wer wir sind“. Und immer wieder schaute er optimistisch und gebrochen zugleich aus der Wäsche; man merkte, wie vertraut er mit der Gesellschaft ist, in der seine Figuren beheimatet sind.

„Inspiriert von wahren Begebenheiten“

Nun spielt der 62-jährige einen Lokalpolitiker, der seine Gattin ermordet haben soll. Er heißt im Film Karsten Voss, „Vossi“ aus Griesenow, aber unter den Topfpalmen Brandenburgs wird man an einen realen Fall denken, über den „Die Welt“ schrieb: „Wenn drei sich treffen in Ludwigsfelde, fängt einer mit Scholl an.“ Der ehemalige Bürgermeister von Ludwigsfelde, Heinrich Scholl, wurde im Mai 2013 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er ging in Revision, die der Bundesgerichtshof als unbegründet verwarf. Er weist die Verantwortung für die Tat bis heute von sich.

„Inspiriert von wahren Begebenheiten“ steht deshalb im Vorspann von Karin Kaçis Spielfilm „Der Fall Marianne Voss“ (Regie Uljana Havemann), der zur Betonung des Fiktionalen die Zeitachse ganz leicht verschiebt und manches, wie den Beruf der Ehefrau (Brigitte Scholl hatte einen Kosmetik- und nicht einen Friseursalon), bewusst verändert. Man wird sehen, wie das bei denen ankommt, die sich mit dem Thema auskennen. Das ZDF teilt auf Anfrage mit, das Projekt greife „unter anderem“ auf das Buch der Gerichtsreporterin Anja Reich zum „tödlichen Ende einer Ehe“ zurück.

Filmisch gibt es nichts zu bemängeln. Wir sehen ein stimmungsvoll inszeniertes Ehedrama, das mehr Psychostudie als Gerichtskrimi ist und eng mit der Zeitgeschichte verflochten. Es beginnt in jenen Wintertagen, in denen Marianne Voss (Valerie Koch), eine Frau Mitte sechzig, zum Moos-Suchen aufbricht und nicht mehr zurückkehrt. Ihr Ehemann Karsten ist besorgt.

Er macht sich mit der erwachsenen Tochter Heike (Hannah Ehrlichmann) und einem Freund (Bernhard Schütz) auf die Suche, zeigt ihnen ein Waldstück, das Marianne mochte und das tatsächlich ihre Leiche preisgibt. Er wird verdächtigt, seine Gattin ermordet haben, „in Tateinheit mit der Tötung eines Wirbeltiers“. Gemeint ist der Familienhund, der ebenfalls tot im Wald lag.

Die Rekonstruktion des Geschehens findet fortan im Landgericht statt, teils nüchtern über die Aussagen von Anwälten, Gutachtern und Zeugen, teils über behände einmontierte Rückblenden. Bis zum Urteil der Richter.

Ob dieses Urteil stimmig ist, bleibt in der Schwebe. Viel spricht dafür. Aber es gibt eben, wie der „Spiegel“ zu dem realen Fall titelte, „nichts als Indizien“, und so deutet der Film auch andere Lesarten der Ereignisse als jene des Gerichts an. Einerseits handelt er von einem Politoholic, der mit der größten FKK-Therme Deutschlands blühende Landschaften entstehen lässt und nach 18 Jahren Amtszeit in ein Loch fällt. Er kann seine Frau nicht mehr ertragen, lässt sich von einer Prostituierten ausnehmen, hat für den Tatzeitpunkt kein Alibi und vergisst die DNA-Spuren am Mordwerkzeug seiner Wahl.

Andererseits ist da die Gattin, eine dominante Frau, die plötzlich im Schatten ihres Ehemanns steht, über seine Affären immer tiefer in Depressionen versinkt („Reichen Dir die deutsch-polnischen Freundschaftstreffen nicht mehr?“) und schließlich ihren eigenen Tod zu planen beginnt.

Ein richtig guter, weil zum Diskutieren auffordernder „Fernsehfilm der Woche“, geprägt von echtem Interesse für die biographische Prägung der Eheleute, ruhigen Kamerabildern von Stephan Wagner, nostalgischen Schnipseln im Retro-Look und vielen Details, auf die Juliane Friedrich und Judith Holste als Verantwortliche für Szenenbild und Kostümbild achtgaben. Allein die Wahlplakate! Über den Mann, dessen Geschichte die Inspirationsquelle des Filmes war, heißt es unterdessen auf Wikipedia in gnadenlos erfüllter Chronistenpflicht: „Nach der Verurteilung trat Heinrich Scholl aus der SPD aus.“

Der Fall Marianne Voss läuft heute um 20.15 Uhr im ZDF.

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