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#Der Kompass der Geldpolitik

Der Kompass der Geldpolitik

Als Otmar Issing vor rund 60 Jahren seine akademische Laufbahn begann, sorgte das von den amerikanischen Ökonomen John Gurley und Edward Shaw verfasste Werk „Money in a Theory of Finance“ für Interesse in einer Zeit, in der vor allem die Rolle des Geldes in einer Güterwirtschaft betrachtet wurde. Der Monetarismus Milton Friedmans, der einen engen Zusammenhang zwischen der Geldmenge und dem Güterpreisniveau postulierte, war ein Ausdruck des damals dominierenden Denkens. Heute kann angesichts sehr stark gewachsener Finanzmärkte, gewaltiger Geldvermögen, denen riesige (private und öffentliche) Schulden entgegenstehen, und einer Geldpolitik, die jahrelang Anleihekaufprogramme laufen lässt, niemand mehr die Bedeutung der Finanzmärkte für Zentralbanken negieren. Die digitale Revolution wird der Geldpolitik weitere Herausforderungen bescheren.

Das Kolloquium, das in dieser Woche anlässlich des 85. Geburtstags Otmar Issings stattfand, gab nicht nur Anlass zur Würdigung eines hochgeschätzten Mannes, der als Wissenschaftler begann, dann als Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank wirkte und anschließend wieder zur Wissenschaft zurückkehrte. Es gab auch Anlass zur Frage, ob in einer sich dramatisch wandelnden Welt Konstanten existieren, auf die sich Geldpolitiker gerade in unruhigen Zeiten stützen können.

Die offensichtliche Konstante, die der Geldpolitik über die Zeitläufte ein Fundament verleiht, bildet die Erkenntnis, dass ein stabiler Geldwert eine unabdingbare Voraussetzung für die gedeihliche – wirtschaftliche wie gesellschaftliche und politische – Entwicklung eines Gemeinwesens bildet. Die Sicherung stabilen Geldes kann aber immer Widerstände von Interessengruppen erzeugen, die sich an den Nebenwirkungen einer stabilitätsorientierten Geldpolitik stoßen.

Stabilität ist nicht immer gewünscht

Zentralbanken, die eine existierende Inflation durch hohe Zinsen bekämpfen und dabei den Absturz einer Wirtschaft in eine kurzfristige Rezession in Kauf nehmen, machen sich ebenso wenig beliebt wie Zentralbanken, die zur Sicherung der eigenen Währung auf die von Regierungen und Exportunternehmen erwünschte Stabilität von Wechselkursen keine Rücksicht nehmen können. Vermögensverwalter, die jahrelang darauf bauen konnten, dass Anleihen kaufende Zentralbanken die Kurse hoch halten, werden sich nicht freuen, wenn die Geldpolitik diese Programme einstellt.

Stabilitätsorientierte Geldpolitik zu betreiben heißt, sich bei Interessengruppen auch unbeliebt zu machen. Issing wüsste, wäre er nicht ein diskreter Mann, hierzu viele Episoden zu schildern. Über die Zusicherung an das Gemeinwesen, die Stabilität des Geldes jederzeit zu sichern, kann eine Zentralbank jedoch jenes Maß an Vertrauen der Öffentlichkeit erzielen, das ihr den Konflikt mit Partikularinteressen ermöglicht. Kaum etwas schadet der Geldpolitik unserer Tage mehr als der Eindruck, sie diene solchen Interessen. Nachdrücklich verwies Issing als Beispiel auf die Wirkungen von Wertpapierkäufen für die Vermögensverteilung.

Vertrauen ist unerlässlich

Erfolgreiche Geldpolitik ist in erster Linie eine Frage des Willens, aber sehr viel weniger eine Frage der Anwendung spezifischer ökonomischer Modelle, deren Brauchbarkeit so lange überschätzt wird, bis sie eines Tages versagen. Issing hatte als junger Wissenschaftler großes Vertrauen in die einfache Botschaft vom engen Zusammenhang von Geldmenge und Preisniveau besessen – als Geldpolitiker dann unter dem Eindruck der Empirie einen zunehmend vorurteilsfreien Eklektizismus an den Tag gelegt, der ihn heute davor bewahrt, anders als der Zeitgeist der Geldmenge jegliche Erklärungskraft abzusprechen. Geldpolitik wirkt sehr stark über das Vertrauen, das die Öffentlichkeit in das Stabilitätsversprechen der Zentralbank besitzt. Dieses Vertrauen ist, wie Issing betonte, gerade in von hoher Unsicherheit gekennzeichneten Zeiten unerlässlich, die sich später als Epochenbrüche erweisen.

Als Issing begann, war die Sorge vor hohen Inflationsraten ein steter Begleiter ökonomischer Diskussionen. In den vergangenen zehn Jahren wurde unter anderem mit Blick auf Japan viel über eine von Deflationsgefahren begleitete säkulare Stagnation debattiert. Heute mehren sich Stimmen, die mit plausibel klingenden Argumenten längerfristig eine Rückkehr zumindest etwas höherer Inflationsraten für möglich halten. Wichtig bleibt die Erkenntnis: Solange die Geldpolitik ihren Kompass nicht verliert, kann sie sich – weder unbesonnen noch furchtsam – einer unbekannten Zukunft stellen.

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