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#Der Mann mit dem Geld

Der Mann mit dem Geld

Der kleine, schmale Mann aus Deutschland ist an diesem Tag nicht der einzige Europäer auf diesem Platz. An einer der Ecken des Platzes steht, wenn auch in Bronze, Marie-Joseph Motier, Marquis de La Fayette, ein Weltpolitiker des 18. Jahrhunderts, wenn man so will. Der französische Adelige kämpfte an der Seite der amerikanischen Kolonien für die Unabhängigkeit von England, bevor er einige Jahre später die Ideen der unveräußerlichen Menschenrechte auf den alten Kontinent übertrug und für die Revolution in Frankreich focht.

Ralph Bollmann

Korrespondent für Wirtschaftspolitik und stellvertretender Leiter Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Aber Olaf Scholz, obwohl durchaus geschichtsbewusst, interessiert sich an diesem Tag nicht so sehr für das Denkmal, sondern eher für das Gebäude in seinem Rücken. Am Lafayette Square in Washington steht das Weiße Haus, Sitz des US-Präsidenten, Symbol für Macht und Einfluss in der Welt. Mit Joe Biden hat sich der deutsche Sozialdemokrat an diesem Morgen nicht getroffen, auch nicht – was für den Vizekanzler protokollarisch angemessener wäre – mit dessen Stellvertreterin Kamala Harris, deren Wagenkolonne er beim Frühstück im Straßencafé hinterherschauen konnte.

Aber immerhin: Mit seiner hiesigen Amtskollegin Janet Yellen hat Scholz gerade ausgiebig geplaudert, der vormaligen Notenbankgouverneurin und mächtigsten Finanzministerin der Welt, im Treasury Building, das durch einen mythenumwobenen unterirdischen Gang mit dem Weißen Haus verbunden ist.

Im Zentrum der Weltpolitik

Näher am Zentrum der Weltpolitik geht es kaum, und noch dazu weht hier immer noch ein klein wenig der Geist des ersten Amtsinhabers Alexander Hamilton, der aus dem losen Zusammenschluss von 13 nordamerikanischen Kolonien durch gemeinsame Schuldenaufnahme überhaupt erst die Vereinigten Staaten von Amerika formte, wie wir sie heute kennen: ein Vorgang, auf den sich Scholz berief, indem er voriges Jahr das europäische Corona-Wiederaufbauprogramm zum „Hamilton-Moment“ eines künftigen Brüsseler Bundesstaats erklärte.

Das also sind die Assoziationen, auf die es ankommt, als sich Scholz mit dem Weißen Haus im Rücken vor den Fernsehkameras aufbaut. Dafür hat er den acht Stunden langen Flug über den Atlantik unternommen, eine der ersten größeren Dienstreisen seit dem zähen deutschen Winter-Lockdown. Mit Yellen hat er vor allem über die globale Mindeststeuer für Unternehmen gesprochen, „eine große Reform, die eine hundertjährige Praxis verändert und den Missbrauch von steuerrechtlichen Regeln beendet“, wie er es erst auf Deutsch, dann in einem sehr passablen Englisch für die Nachrichtensendungen dieses Abends ausbuchstabiert.

Ach so: Auch das Klimaproblem haben die beiden selbstredend ausbuchstabiert, dem Scholz’schen Vorschlag eines weltweiten „Klimaclubs“ der Willigen steht die Kollegin selbstredend positiv gegenüber. Und darüber, dass der Wirtschaftsaufschwung nach dem Corona-Einbruch nicht durch allzu schnelles und scharfes Sparen der öffentlichen Hand abgewürgt werden dürfe, besteht zwischen Berlin und Washington sowieso Konsens; hundert Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten sind im deutschen Haushaltsentwurf für 2022, das Jahr nach der Bundestagswahl, sowieso schon vorgesehen.

Helmut Schmidt schaffte es als Einziger

Scholz will nach der Wahl am 26. September zum Bundeskanzler aufsteigen, dafür muss er seine Trittsicherheit auf weltpolitischem Parkett beweisen, und als Instrument dafür dient ihm das Amt, das er vor knapp dreieinhalb Jahren mit genau diesem Ziel antrat. Er ist der neunzehnte Finanzminister in der Geschichte der Bundesrepublik – und beileibe nicht der einzige, der an die Spitze der Regierung strebte.

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