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#Der Palast liegt auf dem Teller

„Der Palast liegt auf dem Teller“

Der allererste Gast der neuen „Schwarzwaldstube“ und ihrer Schwesterrestaurants „Schatzhauser“ und „1789“ war Paul. Paul ist sechs Jahre alt, kommt bald in die zweite Grundschulklasse und hat das Glück, der Sohn des Drei-Sterne-Kochs und „Schwarzwaldstuben“-Chefs Torsten Michel zu sein. Paul stieg am vergangenen Freitag wie jeden Freitag vor der Tür des väterlichen Restaurants aus dem Schulbus, inspizierte die neue Lokalität genauestens, ließ sich zwei Maultaschen servieren und war nach übereinstimmenden Augenzeugenberichten hochzufrieden mit seinem Mahl. Dann ging er spielen und überließ die drei Restaurants den anderen Premierengästen, die in der glanzvoll aus verkohlten Ruinen auferstandenen Spitzengastronomie des Hotels Traube Tonbach in Baiersbronn am eigenen Leib miterleben konnten, wie man in einem Familienherzblutbetrieb Geschichte fortschreibt, ohne sie zu repetieren oder zu musealisieren.

Weder Resignation noch Melancholie

In der Nacht zum 5. Januar 2020 brannte die „Schwarzwaldstube“ mitsamt ihren Nebengebäuden bis auf die Grundmauern ab. Ein technischer Defekt, so stellte das Landeskriminalamt zweifelsfrei fest, war die Ursache für das Ende einer Geschichte, die 1789 mit der ersten Schanklizenz für Familie Finkbeiner im Tonbachtal begonnen hatte. Im Lauf von zwei Jahrhunderten erwuchs aus der Schenke für Köhler und Holzfäller das Epizentrum der deutschen Spitzenküche mit dem traditionsreichsten Drei-Sterne-Restaurant der Republik, ein amorpher Gebäudekomplex, der immer wieder umgebaut, angebaut, zugebaut wurde und dessen älteste Teile sich tatsächlich auf das Jahr der Französischen Revolution datieren ließen. Fast alles war nach dem Brand dahin, doch weder Heiner und Renate Finkbeiner noch ihre beiden Söhne Matthias und Sebastian und erst recht nicht Torsten Michel verfielen in Resignation oder Melancholie. Stattdessen bauten sie sich in Windeseile ein provisorisches Refugium mit dem sprechenden Namen „tempo­raire“, in dem sich Michel wieder drei Michelin-Sterne und Florian Stolte einen Stern für seine „Köhlerstube“ erkochten. Doch auch das ist seit dem vergangenen Freitag Geschichte.

Zurückhaltung ist das oberste Gebot: Nichts liegt dem Neubau für die drei Feinschmeckerrestaurants der Traube Tonbach ferner als Prunk oder sogar Protz.


Zurückhaltung ist das oberste Gebot: Nichts liegt dem Neubau für die drei Feinschmeckerrestaurants der Traube Tonbach ferner als Prunk oder sogar Protz.
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Bild: dpa

Entstanden ist exakt an der alten Stelle ein dreiteiliges Gebäude, das den Spagat vollbringt, weder eine Replik noch ein Fremdkörper, weder geschichtsvergessen noch nostalgisch und trotzdem originär und eigenständig zu sein. Zurückhaltung und Respekt vor der Umgebung war die oberste Priorität der Finkbeiners, die sich niemals als Talkönige aufspielen und einen prunkvollen Feinschmeckerpalast ins Tonbachtal klotzen würden – eine Bescheidenheit am Rande der Selbstverleugnung, die manchen von weither angereisten Besucher ein wenig irritieren dürfte, doch so ist das nun einmal im pietistischen Nordschwarzwald. Die Giebelstände orientieren sich an den Nachbargebäuden, die Proportionen vermeiden alle Auffälligkeiten, die Fassade ist mit den typischen Lärchenschindeln des Schwarzwaldes verkleidet, die dank ihrer ätherischen Öle die größte Robustheit aller heimischen Hölzer besitzen. Der Fußboden besteht im Foyer aus Pflastersteinen und in der „Schwarzwaldstube“ aus Schwarzwaldgranit, die Wände der Vorderfront sind aus gestopftem Lehmstroh errichtet, eine uralte lokale Technik und zugleich die älteste Bauweise der Menschheit überhaupt – lauter Hinweise darauf, dass dieses Haus auf Jahrhunderte ausgelegt ist und seine Steine eine Lebensdauer wie jene der Via Appia haben sollen.

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