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#Der Polizei fehlt die Kontrolle von außen

„Der Polizei fehlt die Kontrolle von außen“

Normalerweise hat die Polizei ein Auge auf die Gesellschaft. Sie achtet darauf, ob Unrecht geschieht, und sorgt dafür, dass Täter gefasst und Opfer geschützt werden. Nun blickt die Gesellschaft auf die Polizei. Und das in zunehmendem Maße. Mehr noch: In Einzelfällen schauen auch Kollegen auf Kollegen – und prangern an.

Katharina Iskandar

Verantwortliche Redakteurin für das Ressort „Rhein-Main“ der Sonntagszeitung.

So wie Oliver von Dobrowolski. Er ist inzwischen eine der lautesten Stimmen, wenn es darum geht, die eigene Berufssparte kritisch zu hinterfragen. Bis April vergangenen Jahres war er Bundesvorsitzender der Berufsvereinigung Polizei Grün. Er gründete den Verein „Better Police“ und schrieb ein Buch, das, seitdem es auf dem Markt ist, für Diskussionen sorgt: „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“.

Gleich zu Beginn schreibt der Berliner Polizist, er widme „dieses Buch all jenen, die bereits einmal schlechte Erfahrungen mit der Polizei machen mussten“, aber „unverzagt an eine Besserung glauben“. Das Buch solle „keine persönliche Geschichte werden“, schon gar keine „Abrechnung“. Was folgt, ist eine Erörterung polizeilichen Fehlverhaltens: problematische Kommunikationskultur, diskriminierender Sprachgebrauch, Menschenfeindlichkeit, Homophobie und Antifeminismus, Racial Profiling und Rassismus.

Welche Entwicklungen laufen schief?

Eine „Abrechnung“ ist das Buch tatsächlich nicht, wohl aber eine Streitschrift. Oliver von Dobrowolski geht recht weit, wenn er sagt, es handele sich längst nicht mehr um „Einzelfälle“, wenn Frauen in der Polizei gemobbt, rechtsextreme Nachrichten in Dienstgruppen verschickt und Ausländer unter Kollegen rassistisch beleidigt würden. Der „Einzelfall“, so Dobrowolski, sei zum „Kampfbegriff“ geworden, „zur Abwehr von Kritik an polizeilichem Fehlverhalten“. Und „so ermüdend es ist, ihn medial und aus dem Munde verantwortlicher Menschen in Politik und Ministerien zu hören, so sehr hat er sich mittlerweile selbst überholt“. Wie viele registrierte Fälle es aber in den Polizeien der Länder tatsächlich gibt, vielleicht sogar mit einer Schätzung der Dunkelziffer, das geht aus dem Buch nicht hervor.

Oliver von Dobrowolski: „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“.


Oliver von Dobrowolski: „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“.
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Bild: S. Fischer Verlag

Für die Polizei muss sich das Buch von Oliver von Dobrowolski lesen wie eine Kampfansage. Und tatsächlich wird innerhalb der Institution darüber diskutiert, inwiefern „einer aus den eigenen Reihen“ derart scharfe Kritik an Kollegen, an sogenannter „Cop Culture“ und an den Strukturen innerhalb der Behörden üben darf. Die Kritik betrifft nicht nur einzelne Beamte, denen der Kriminalhauptkommissar in seiner Laufbahn begegnet ist, auch nicht einzelne Dienststellen – sondern geht tief in die Polizei als Institution hinein. Dobrowolski kommt zu dem Schluss, dass das System Polizei, so, wie es derzeit aufgestellt ist, nicht (mehr) funktioniert – weil die Kontrolle von außen fehlt. Dass dieses Problem so zur Sprache kommt, ist die Stärke und zugleich die große Schwäche des Buchs. Denn es lebt vor allem von Dobrowolskis Erfahrungen und persönlichen Berichten anderer. Was fehlt, sind Statistiken. Für jemanden, der sich nicht täglich mit der Polizei als Institution befasst, fällt eine Einordnung schwer.

So kritisiert Dobrowolski eine „Militarisierung der Polizei“ und macht das unter anderem an den Uniformen fest, die für viele Beamte im Streifendienst inzwischen zur Normalität geworden sind. Für viele Polizisten jedoch ist diese Schutzausstattung das, was ihnen bei Verkehrskontrollen, in Brennpunktsiedlungen, bei Razzien oder in anderen Einsätzen das Leben retten kann. Sie würden nicht wieder tauschen wollen.

Das K-Wort, das N-Wort, das Z-Wort

Dennoch schafft es der Autor, am Ende aus vielen Fäden ein Netz zu spannen, das das Bild einer Polizei ergibt, bei der man sich zu Recht fragen kann: Welche Entwicklungen laufen schief? Da geht es längst nicht mehr um Kleidung oder um die Frage, ob der Polizist auf der Straße sein Gegenüber duzen darf. Es geht darum, welches Bild Polizisten von der Gesellschaft haben und wie sich der Blick auf Ausländer, Missachtung von Frauen und Intoleranz gegenüber Andersdenkenden in konkreten Handlungen zeigt.

All das schildert Dobrowolski schonungslos. So habe er als junger Polizist erlebt, wie ein stellvertretender Kommissariatsleiter bei einem Einsatz in Berlin-Wedding gesagt habe: „Willkommen in Kanacken-City.“ Zudem gehörten Begriffe wie „das K-Wort, das N-Wort, das Z-Wort“ zum Alltag, ebenso wie „Ölauge“, „Schwarzköpfe“ und „Maximalpigmentierte“. Diese Wörter, das weiß man inzwischen aus Verfahren, in denen sich Polizeibeamte wegen umstrittener Chats in Messenger-Gruppen verantworten müs­sen, werden auf einzelnen Revieren, in geschlossenen Einheiten oder auch in Kommissariaten tatsächlich benutzt.

So erschreckend Dobrowolskis Schilderungen sind – er sucht nach Lösungen. Und das wiederum überzeugt. In jedem Unternehmen sei es heutzutage üblich, sich zertifizieren zu lassen, sagt er. Nur die Polizei weigere sich standhaft, dass jemand in ihr Inneres blicke. Dabei sei „eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung (…) kein Nachteil, sondern ein elementarer Bestandteil moderner, progressiver und fehlersensibler Unternehmensführung“. In der Tat ist die Führungs- und Fehlerkultur ein Thema, dem sich die Polizei derzeit in vielen Bundesländern stellen muss.

Oliver von Dobrowolski: „Ich kämpfe für eine bessere Polizei“. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022. 240 S., br., 18 Euro.

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